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Jugendlichen ihre schlechte Prognose eröffnen: rechtliche und ethische Herausforderungen bei der Aufklärung

Palliativmedizin

Der Originalartikel wurde auf Französisch verfasst.

James ist ein 14-jähriger Jugendlicher und seit drei Jahren wegen eines Gehirntumors beim pädiatrischen Onkologie-Team eines Universitätsspitals in Behandlung. Zum Diagnosezeitpunkt war der Tumor in einem niedrigen Stadium, und James hat mehrere wachstumshemmende onkologische Behandlungen (Bestrahlung und Chemotherapie) erhalten. Er kommt regelmässig zur klinisch-radiologischen Verlaufskontrolle.

Bei seiner letzten Untersuchung, die aufgrund neuer Symptome in den letzten Wochen gemacht wurde, ergab das Schädel-MRT eine Tumorprogression mit Wachstum in benachbarte Strukturen . Auch die Tumormarker im Blut sind angestiegen. Die Krankheit schreitet voran, obwohl er noch eine onkologische Therapie hat. Im Tumor-Board werden die Behandlungsoptionen diskutiert, doch leider kann keine davon eine Heilung in Aussicht stellen. Die therapeutische Wahl fällt auf die Weiterführung der oralen Chemotherapie zu palliativen Zwecken, um das Tumorwachstum zu verlangsamen und die Symptome zu mildern. Während der Konsultation zur Besprechung der MRT-Befunde und Laborbefunde fragt der Jugendliche seinen behandelnden Onkologen: «Herr Doktor, werde ich an meinem Krebs sterben? Wie lange habe ich noch zu leben?» Die Eltern scheinen dem Onkologen mit ihrem Blick zu signalisieren, dass er diese Fragen nicht jetzt besprechen soll. Der Onkologe antwortet unbeholfen, dass er darauf keine Antwort habe und konzentriert sich auf die medizinischen Informationen über die Fortsetzung der Behandlung mit oraler Chemotherapie.

Nach dem Gespräch hat der Onkologe ein schlechtes Gefühl und spricht mit der Pflegefachperson, die ebenfalls dabei war, über diese Situation. Diese meint: «Du hattest keine Wahl, die Eltern hätten es dir übel genommen. Sie kennen ihren Sohn und wissen, was das Beste für ihn ist. Und es ist besser, ihm nichts zu sagen, damit er die Hoffnung nicht aufgibt.»

Die Frage, ob einem Kind auf Wunsch der Eltern eine Diagnose oder Prognose verweigert werden darf, ist ein komplexes und wiederkehrendes Thema für die pädiatrischen Abteilungen, die mit solchen Situationen konfrontiert sind, wie die Onkologie, Palliativ- und Intensivmedizin(1–3).Diese Frage bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, die sowohl Patienten, Eltern als auch das Pflegepersonal betreffen, in juristischer und ethischer Hinsicht. Hinter diesem Artikel steht die Idee, diese Herausforderungen in einem palliativmedizinischen Kontext zu untersuchen – und zwar aus der Sicht der Eltern, die die Aufklärung über das Scheitern einer kurativen Therapie verweigern, aus Perspektive des Kindes, das im Gegensatz dazu informiert und in die Entscheidungen einbezogen werden möchte, die es selbst betreffen, und aus Sicht des betreuenden Pflegepersonals, das zwischen diesen zwei gegensätzlichen Forderungen Stellung beziehen muss.

In der obigen Situation scheinen die Eltern implizit vom Arzt zu verlangen, dass er James nicht über das Scheitern einer kurativen Therapie aufklärt. Aber können sich die Eltern der Aufklärung ihres Kind widersetzen? Wenn ja, unter welchen Umständen? Sind sie am besten in der Lage zu entscheiden?
Der rechtliche Kontext kann einige Antworten oder einen gewissen Rahmen für alle Beteiligten liefern, daher soll er hier erörtert werden. Im Schweizer Gesetz fallen die Beziehungen zwischen Kindern, Eltern und Staat unter die Kinderrechte. Den Eltern steht grundsätzlich die elterliche Sorge zu (Art. 296 Abs. 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB]). Auch wenn der Begriff im Gesetz nicht definiert ist, werden bestimmte Rechte und Pflichten dargelegt, die das Kind und seine Eltern einander gegenüber haben. Insbesondere haben die Eltern das Recht, ihr Kind Dritten gegenüber zu vertreten, das heisst, in seinem Namen und für ihn rechtsgültig in seinem übergeordneten Interesse zu handeln (Art. 296 Abs. 1 und Art. 301 ZGB), während das Kind ihnen Respekt und Gehorsam schuldet (Art. 301 Abs. 2 ZGB).

Dieses Vertretungsrecht, respektive diese Vertretungsgewalt, ist jedoch nicht unbegrenzt. Seine Ausübung unterliegt dem Kindeswohl und den Kindesinteressen. Darüber hinaus und wenn es um sogenanntes höchstpersönliches Recht geht, ist dies laut Gesetz hinfällig, wenn das Kind in einem gegebenen Fall selbst urteilsfähig ist. Höchstpersönliche Rechte sind vor allem solche, die so eng an die Persönlichkeit gebunden sind, dass jede Vertretung ausgeschlossen ist*. Medizinische Massnahmen fallen im Allgemeinen unter diese Kategorie. Ist das Kind urteilsfähig, kann es also alleine entscheiden, ob es einer medizinischen Massnahme oder einem Behandlungsplan zustimmt. Ist das Kind nicht urteilsfähig, kommt dieses Recht seinen gesetzlichen Vertretern zu, das heisst in den meisten Situationen seinen Eltern.

*Es ist zwischen absoluten und relativen höchstpersönlichen Rechten zu unterscheiden. Relative Rechte sind solche, die im Fall der Urteilsunfähigkeit der betreffenden Person übertragen werden können. So fällt eine notwendige medizinische Behandlung unter das relative höchstpersönliche Recht, in dem Sinn, dass die Eltern das Kind vertreten können, wenn es nicht urteilsfähig ist. Eine nicht notwendige medizinische Behandlung, etwa ein chirurgischer Eingriff zu rein ästhetischen Zwecken, fällt hingegen unter das absolute höchstpersönliche Recht und ist nicht übertragbar. Die Eltern können also nicht für ein nicht urteilsfähiges Kind ihre Einwilligung zu einer solchen Behandlung geben.

Die Urteilsfähigkeit des Kindes ist also Dreh- und Angelpunkt seiner Behandlung. Eine Person ist im Sinn des Zivilrechts urteilsfähig, wenn sie zu vernünftigem Handeln fähig ist: Es gibt ein intellektuelles Element (die Fähigkeit, den Sinn, die Zweckmässigkeit und die Auswirkungen einer bestimmten Handlung einzuschätzen) und ein Willenselement (die Fähigkeit, diesem rationalen Verständnis entsprechend aus freiem Willen zu handeln – BGE 124 III 5). Diese Fähigkeit ist relativ und muss konkret für die gegebene Situation bewertet werden. Es gibt keine Altersgrenze. Daher muss von Fall zu Fall beurteilt werden, ob man dem Alter des Kindes zufolge davon ausgehen kann, dass es in Bezug auf die geplante Massnahme uneingeschränkt urteilsfähig ist (BGE 134 II 235, Erw. 4.3).

Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Urteilsfähigkeit einer minderjährigen Person in medizinischen Fragen – die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sie einer Behandlung alleine zustimmen kann – in jedem einzelnen Fall im Hinblick auf die Art der Probleme, die mit dem Eingriff einhergehen, beurteilt werden muss. Die Personen, die die elterliche Sorge tragen, dürften nur dann beigezogen werden, wenn Zweifel bestehen, ob die minderjährige Person die Begleitumstände des geplanten Eingriffs objektiv einschätzen kann. Ausschlaggebend bleibt jedoch in jedem Fall das therapeutische Interesse des Patienten oder der Patientin (BGE 134 II 235, Erw. 4.3.2).

Neben der Anerkennung des Kindes als Rechtssubjekt (und nicht länger als Rechtsobjekt) im Schweizer Gesetz besagt die UN-Kinderrechtskonvention von 1989, die 1997 von der Schweizerischen Eidgenossenschaft ratifiziert wurde, dass sich das Kind an allen Rechts- oder Verwaltungsverfahren, die es betreffen, beteiligen können muss (Art. 12 KRK). Daraus folgt, dass ihm als Grundlage der Partizipation die relevanten Informationen mitgeteilt werden müssen. Wenn das Kind nicht urteilsfähig ist, muss es in diesem partizipativen Prozess begleitet werden, damit es sich selbst eine Meinung bilden kann (Art. 5 KRK).

Wenn man James als urteilsfähig einschätzt, ist er also aus rein rechtlicher Sicht der Einzige, der über seine Behandlung entscheiden kann. Zu diesem Zweck muss er alle Informationen erhalten, die ihn persönlich betreffen. Das ist umso mehr der Fall, weil das urteilsfähige Kind genau wie eine erwachsene Person Recht auf das Arztgeheimnis hat und über dieses Geheimnis verfügen kann. Im Extremfall könnte er also seinem Onkologen untersagen, seine medizinischen Daten an seine Eltern weiterzugeben. Die Frage, die sich dem betreuenden Personal stellt, ist daher nicht: «Soll ich ihn informieren oder nicht?», sondern vielmehr: «Wie überbringe ich ihm diese Information?».

Natürlich spiegelt dies, wenn auch juristisch korrekt, nicht die reale Komplexität dieser sensiblen Situationen wider, die einem in der pädiatrischen Palliativmedizin begegnen. Bei komplexen medizinischen Entscheidungen kann sich das behandelnde Personal auf die vier bioethischen Grundsätze von Childress und Beauchamps stützen, um alle in Frage kommenden Optionen abzuwägen und jene zu finden, die am ehesten ethisch gerechtfertigt ist(4). Diese vier Grundsätze sind Patientenwohl, Abwendung von Schaden, Wahrung der Autonomie und Gerechtigkeit. Von einer medizinischen Massnahme erwartet man, dass sie zum Wohl und nicht zum Schaden von Patient oder Patientin ist, das heisst, mehr Nutzen als Risiko birgt, und dass seine oder ihre Autonomie respektiert und dem freien Willen Rechnung getragen wird. Autonomie ist zu verstehen als die Fähigkeit eines Individuums, sich eigenständig so zu entscheiden, wie es ihm oder ihr für sich selbst am besten erscheint. Aus einer Haltung heraus, die ihrer Meinung nach zu seinem Wohl ist, möchten die Eltern in der beschriebenen Situation nicht, dass James über das Scheitern der Therapie informiert wird. Aus ihrer Sicht würde die Mitteilung mehr Leiden verursachen als nützen. Diese Haltung kann man als Bevormundung sehen, da die Eltern die Autonomie ihres Sohnes missachten, indem sie sich seinem eigenen Wunsch nach Information widersetzen. Sie handeln gemäss dem, was ihnen das Beste für ihn scheint.

Tatsächlich wollen die Eltern in den allermeisten Fällen das, was ihnen am besten für ihr Kind erscheint. Die grosse Schwierigkeit für die Eltern besteht darin, ihr Kind zu schützen, indem sie sich für sein (aus ihrer Sicht) Bestes entscheiden, ihm aber gleichzeitig Raum zur Willensäusserung geben, damit es seine Autonomie entwickeln kann. In der Eltern-Kind-Beziehung spielt sich also das gleiche Dilemma ab wie so oft bei medizinischen Entscheidungen – der Konflikt zwischen einer paternalistischen und einer autonomistischen Haltung. Die Eltern, und noch mehr die Behandelnden, stehen vor dem Problem, das richtige Gleichgewicht zwischen den beiden Extremen zu finden: der Bevormundung, die der Willensäusserung des Patienten oder der Patientin keinen Raum lässt, und der kompletten Selbstbestimmung, bei der sein oder ihr Wille den Eltern und Behandelnden jede Entscheidungsverantwortung nimmt. Gerade in der Adoleszenz ist dieser Kompromiss oft gefährdet. Auf der einen Seite werden Jugendliche ihre Selbstbestimmung geltend machen wollen. Auf der anderen Seite gehen sie aus Sicht der Eltern damit oft Risiken ein oder treffen schlechte Entscheidungen und widersetzen sich dem elterlichen Wunsch nach Schutz und Fürsorge. Die Autonomie des Kindes und sein Recht auf Selbstbestimmung müssen immer gegen seine Schutzbedürftigkeit abgewogen werden. Generell betrachtet sind die Anforderungen, dem oder der Jugendlichen eine eigene Urteilsfähigkeit zuzugestehen, umso höher, je schwerwiegender und irreversibler die Folgen einer Massnahme sind. Zur Lösung dieses Dilemmas ist es oft notwendig, die Rolle und Bedeutung der einzelnen Beteiligten zu betrachten.

In einer solchen Situation muss sich der Arzt oder die Ärztin des elterlichen Wunsches bewusst bleiben, das Beste für ihr Kind zu tun. Anstatt sich zu fragen: «Können die Eltern sich dem Informationsrecht ihres Kindes widersetzen?», sollten sie lieber die Frage stellen: «Warum würden fürsorgliche Eltern sich dem entgegenstellen?»

Diese Weigerung kann vielerlei Gründe haben, ob emotionaler, persönlicher oder organisatorischer Natur. Dahinter stehen oft grosses Leid, Schuldgefühle, das Leugnen, dass die Therapie an ihre Grenzen stösst, Sorgen und Ängste angesichts von Unsicherheit, den Folgen einer solchen Mitteilung für die Familiendynamik oder dass es ihnen nicht gelingt, diese Nachricht selbst zu überbringen oder sich der Reaktion ihres Kindes zu stellen. Es ist klar, dass die Nachricht für ihr Kind nicht leicht sein wird, dass es traurig und enttäuscht sein kann. Aber ihm nichts zu sagen, könnte noch schwieriger für das Kind sein und seine Ängste, die nicht angesprochen und somit nicht gehört werden, noch verschlimmern. In der Folge wäre das Kind noch mehr isoliert, könnte sich verraten fühlen und dadurch das Vertrauensverhältnis zu den Behandelnden oder sogar den Eltern verlieren. Es könnte sogar die lindernde Behandlung ablehnen, die ihm eigentlich helfen würde. Daher ist es wesentlich, diesen Gründen nachzugehen und den Bedürfnissen der Patient:innen und Angehörigen entsprechend auf sie einzugehen, Orientierungshilfe zu geben und diese entscheidenden Fragen anzusprechen, denn die Eltern könnten es bereuen, dass sie nicht offen mit ihrem Kind über seine Krankheit und den Tod gesprochen haben.

Eine Studie in Schweden mit über 400 Eltern, die ihr Kind an Krebs verloren hatten, ergab, dass jene, die mit ihrem Kind über den Tod gesprochen hatten, dies nicht bereuten. Unter den Eltern, die nicht darüber gesprochen hatten, bereute es ein Drittel. Die Eltern, die dachten, dem Kind sei bewusst, dass es sterben würde, bereuten es am ehesten(5). Diese Ergebnisse bedeuten noch nicht, dass alle Eltern mit ihrem Kind darüber sprechen sollten, zeigen aber, dass diejenigen, die sich dazu entschliessen, weniger wahrscheinlich Reue erleben, vor allem wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Kind sich bereits über die Prognose im Klaren ist. Vielleicht hilft ihnen das, ihre Trauer und die Zeit danach besser zu verarbeiten. Eine weitere Studie mit 203 Jugendlichen (jungen Erwachsenen mit Krebsleiden) ergab, dass 83 % von ihnen die Mitteilung der Prognose für extrem oder sehr wichtig hielten und dass diese Aufklärung mit einer niedrigeren emotionalen Belastung verbunden war(6). Auch wenn jeder und jede Jugendliche anders ist, können diese Erkenntnisse den Eltern helfen zu verstehen, welche Bedeutung diese Information für ihr Kind hat.

Ebenso wie für die Eltern ist die Überbringung einer solchen Nachricht an den oder die Jugendliche heikel. Das gilt umso mehr in einem Kontext, in dem das Kind ein Anrecht auf Information hat (siehe oben), die Eltern sich dem aber widersetzen. Die Urteilsfähigkeit impliziert zwar, dass die Patient:innen sich frei entscheiden können, was für sie am besten ist. Doch selbst bei erwachsenen Patient:innen ist die autonome Entscheidungsfindung oft komplex, gerade in Kontexten, in denen sie vulnerabel sind oder die Entscheidung kompliziert ist. Nicht selten möchten Patient:innen bei schwierigen Ankündigungen, insbesondere über die Lebenserwartung oder das drohenden Scheitern der Therapie, die Entscheidung mit Nahestehenden, der Familie oder den Behandelnden teilen oder sie gar anderen überlassen(7). Es ist nicht so, dass Menschen, die in rechtlicher Hinsicht selbstbestimmt sind und somit alleine Entscheidungen treffen können, dies auch wollen.

Dieses «individualistische» Autonomiekonzept, bei dem das Individuum alleine und souverän entscheidet, wurde von der feministischen Philosophieströmung der 1980er in Frage gestellt. Zentral war hier vielmehr die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen und somit eher ein von Beziehungen bestimmtes Autonomiekonzept(8). Diese Perspektive berücksichtigt die gegenseitige Bindung zwischen Patient:in und Familie, dem weiteren Umfeld und auch dem behandelnden Personal. Sie bezieht den Kontext und die Emotionen mit ein, die auf das Individuum einwirken, das für sich selbst zu entscheiden hat. Für den pädiatrischen Bereich bedeutet das, die Beteiligung der einzelnen Personen – Patient:in, Eltern und Behandelnde – am Entscheidungsprozess anzuerkennen, insoweit eine Vertrauensbeziehung zwischen den Einzelnen besteht. Und dieses Vertrauen entsteht oft durch gute Kommunikation, wie die zuvor zitierte Studie mit den 203 Jugendlichen (jungen Erwachsenen mit Krebsleiden) belegt: Sie kam zu dem Schluss, dass die Patient:innen, die über die Prognose Auskunft erhielten, dem informierenden Onkologen mit höherer Wahrscheinlichkeit vertrauten(6).

Doch auch wenn diese Mitteilung wichtig scheint, muss sie patientengerecht sein. Die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist nicht, dem oder der Jugendlichen unter dem Vorwand des Informationsrechts ohne Beisein der Eltern Fakten zu überbringen. Ganz im Gegenteil muss ein Diskussionsraum mit dem oder der Jugendlichen geschaffen werden, sofern möglich und sinnvoll mit den Eltern, um ihm oder ihr bei der bestmöglichen Entscheidung zu helfen. Zudem muss sondiert werden, was der Patient oder die Patientin tatsächlich wissen möchte und was nicht, denn Jugendliche haben ebenso wie Erwachsene ein Recht auf Nichtwissen. Das Ziel ist nicht die Überbringung der Information an den Patienten oder die Patientin, sondern dass er oder sie gut informiert und aufgeklärt ist.

Der Kontext der Palliative Care ist an sich eine sehr besondere Situation, schon deswegen, weil die Zeit eine ganz andere Dimension annimmt. Die verbleibende Lebenszeit ist so wertvoll und unmöglich zu bestimmen, dass es für die Behandelnden oft undenkbar ist, die Eltern-Kind-Beziehung in dieser Zeit zu gefährden. Daher müssen die Behandelnden das Vertrauensverhältnis, aber zugleich auch die Zeitlichkeit sowohl des Kindes wie auch der Eltern respektieren. Eine Ankündigung dieser Art sollte durch jemanden erfolgen, der den Jugendlichen oder die Jugendliche und die Familie kennt und ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufbauen konnte. Dazu muss im Vorfeld ergründet worden sein, welche Werte dem Patienten oder der Patientin und der Familie wichtig sind, ebenso wie ihre Präferenzen in Bezug auf die Lebensplanung und ihre Ängste vor dem Sterben. Unter diesen Gesichtspunkt fällt der Palliativansatz. Er bietet das spezifische Fachwissen über das Leiden, das aus diesen Situationen der Unsicherheit und der Lebensbedrohung entsteht, indem die bio-psycho-sozio-spirituellen Bedürfnisse von Patient oder Patientin und Angehörigen beurteilt und geeignete Massnahmen getroffen werden. Daher ist es wichtig, den Palliativansatz frühzeitig in die Behandlung zu integrieren, um die Versorgungskontinuität zu unterstützen und die Akzeptanz der weiteren Behandlung zu erhöhen(9).

Die Mitteilung über das Scheitern der Therapie ist in der Pädiatrie immer ein schwieriger Moment für den Arzt oder die Ärztin, nicht nur, weil es eine emotional aufgeladene Situation ist. Da ist zudem die schwierige Aufgabe sicherzustellen, dass die schlechte Nachricht angekommen ist. Doch an wen richtet man diese Mitteilung in der Kindermedizin? Bei Jugendlichen sind Ärzte und Ärztinnen laut Gesetz und der Fachliteraturanalyse aufgefordert, sich zuerst an den Patienten oder die Patientin zu wenden und das Gespräch an ihn oder sie anzupassen, und erst dann an die Eltern. Kommunikationstools wie das SPIKES-Protokoll (Tabelle 1) können helfen, gewisse heikle Punkte einer solchen Ankündigung vorwegzunehmen und vor allem zu sondieren, was der oder die Jugendliche tatsächlich wissen will(10,11). Im Fall von Konflikten mit den Eltern steht an erster Stelle, die Beziehung zu ihnen nicht abzubrechen, ihren Wunsch anzuerkennen, das Kind zu schützen, und herauszufinden, aus welchen Gründen sie die Weitergabe der schlechten Nachricht verweigern, um so zu einem Ausweg zu kommen. Der Arzt oder die Ärztin hat auch die Aufgabe, ihnen klarzumachen, welche Bedeutung diese Mitteilung für ihr Kind hat und welche positiven Aspekte ihr Kind und sie selbst vielleicht darin finden können.

Tabelle 1. SPIKES, ein mnemotechnisches Tool für die Überbringung schlechter Nachrichten – Fragen und Kernsätze(10).

Referenzen

  1. Taub S, Macauley R; COMMITTEE ON BIOETHICS. Responding to Parental Requests for Nondisclosure to Patients of Diagnostic and Prognostic Information in the Setting of Serious Disease. Pediatrics. 2023 Oct 1;152(4):e2023063754. doi: 10.1542/peds.2023-063754. PMID: 37743818.
  2. Marron JM, Cronin AM, Kang TI, Mack JW. Intended and unintended consequences: Ethics, communication, and prognostic disclosure in pediatric oncology. Cancer. 2018 Mar 15;124(6):1232-1241. doi: 10.1002/cncr.31194. Epub 2017 Dec 26. PMID: 29278434; PMCID: PMC5839950.
  3. Rosenberg AR, Starks H, Unguru Y, Feudtner C, Diekema D. Truth Telling in the Setting of Cultural Differences and Incurable Pediatric Illness: A Review. JAMA Pediatr. 2017 Nov 1;171(11):1113-1119. doi: 10.1001/jamapediatrics.2017.2568. PMID: 28873121; PMCID: PMC5675758.
  4. Tom L. Beauchamp, James F. Childress. Principles of Biomedical Ethics, 6th edition Oxford University Press, 2006, ISBN 0195335708, 9780195335705
  5. Kreicbergs U, Valdimarsd_ottir U, Onelöv E, Henter J-I, Steineck G. Talking about death with children who have severe malignant disease. N Engl J Med. 2004;351(12):1175–1186
  6. Walter JK, Ross LF. Relational autonomy: moving beyond the limits of isolated individualism. Pediatrics. 2014 Feb;133 Suppl 1:S16-23. doi: 10.1542/peds.2013-3608D. PMID: 24488536.
  7. Mack JW, Fasciano KM, Block SD. Communication about prognosis with adolescent and young adult patients with cancer: information needs, prognostic awareness, and outcomes of disclosure. J Clin Oncol. 2018;36(18):1861-1867
  8. Mackenzie C, Stoljar N, eds. Relational Autonomy: Feminist Perspective on Autonomy, Agency, and the Social Self. New York, NY: Oxford University Press; 2000
  9. Marquis, M-A, Payot, A. Soins palliatifs pédiatriques. Ethique clinique, un guide pour aborder les situations humaines complexes, éditions du CHU Sainte-Justine, 2021, Chap.15, 183-190
  10. Lüthi, F., T., et al. Annonce de mauvaises nouvelles : une pointe d’EPICES dans l’apprentissage, Rev Med Suisse, Vol. 7, no. 277, 2011, pp. 85–87.
  11. Castioni, J., et al. L’annonce de mauvaises nouvelles en binôme médico-infirmier : mise en pratique en médecine interne, Rev Med Suisse, Vol. 11, no. 493, 2015, pp. 2070–2075.

Weitere Informationen

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Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
Dr med.  Fleur Le Bourgeois, Cheffe de clinique à l’Unité Mobile d’Accompagnement Pédiatrique Spécialisé et à l’Unité d’éthique clinique du Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne
Dr med.  Alexandra Lipp, Médecin agréée à l’Unité Mobile d’Accompagnement Pédiatrique Spécialisé du Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne
Dr med.  Ralf Jürgen Jox, Chef de l’Unité d’Ethique Clinique, co-responsable de la Chaire de soins palliatifs gériatriques et directeur de l’Institut des Humanités en Médecine, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV) et Université de Lausanne
Gaëlle Droz-Sauthier, avocate, Maître-assistante à l’institut de recherche et de conseil dans le domaine de la famille de l’Université de Fribourg, Fribourg