Fachzeitschrift >

Editorial

Pädiatrische Palliative Care – Begrenzte Zeit mit Leben füllen

Das vorliegende Themenheft widmet sich der pädiatrischen Palliative Care (PPC), einem vielschichtigen und herausfordernden Thema. Im Gegensatz zur Palliative Care bei Erwachsenen, bei der Patienten meist innerhalb weniger Tage bis Wochen nach Beginn einer Palliative-Care-Begleitung versterben, begleiten PPC-Teams die Kinder und ihre Familien typischerweise über Monate bis Jahre hinweg. Daher steht nicht ausschließlich die Sterbephase und der Tod im Fokus, sondern ebenso – und oft vorrangig – ein Leben mit bestmöglicher Lebensqualität unter besonderen Bedingungen.

Mit den Fortschritten in der Medizin und der damit verbundenen Reduktion der Kindersterblichkeit von 40% auf 0,4% gingen viele Rituale und Kompetenzen im Umgang mit Sterben und Tod in der Kindheit verloren. Paradoxerweise hat sich die Zahl von Kindern mit komplexen, chronischen und potenziell lebensverkürzenden Diagnosen allein seit 2001 mehr als verdoppelt. Wachsende Wartelisten an Schulen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen sowie die Ergebnisse der später zitierten PELICAN-Studie, welche einen hohen Leidensdruck der Familien bei fehlender PPC-Unterstützung und eine im internationalen Vergleich sehr hohe Sterblichkeitsrate im Krankenhaus anstatt im häuslichen Umfeld aufzeigten, lassen vermuten, dass wir auf diese Entwicklungen nicht ausreichend vorbereitet waren.

Dieses Themenheft ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass die Herausforderungen erkannt wurden und sich die PPC als interprofessionelle Kompetenz und interdisziplinärer Schwerpunkt in der Schweiz und in der Kinder- und Jugendmedizin nun etabliert hat.

Dennoch macht der Übersichtsartikel von Eva Bergsträsser et al. deutlich, dass wir mit einer Abdeckung von knapp 10% der Familien mit palliativem Behandlungsbedarf noch lange nicht am Ziel sind. Der nachfolgende Praxisleitfaden von Mercedes Ogal und Vertreter:innen aus Pflege, Kinderspitex und dem ersten Kinderhospiz der Schweiz bietet dafür konkrete Massnahmen, ergänzt durch eine umfassende Übersicht zur Behandlung der häufigsten leidvollen Symptome von Erika Süss et al. Der englische Begriff «Care» umfasst jedoch nicht nur Pflege und Behandlung, sondern auch Begleitung in Trauer (Rachel Honegger et al.), ethische Fragestellungen (Fleur Bourgois et al.) sowie psychosoziale Aspekte im Familiensystem (Nora Tschudi et al.).

Das abschliessend durch Cornelia Mackuth und Deborah Gubler vorgestellte und allen interessierten Pädiater:innen offenstehende PPC-Netzwerk (PPCN) vervollständigt die Einladung diese Themenheftes, die pädiatrische Palliative Care in all ihren Facetten zu erkunden, Erfahrungen zu teilen und gemeinsam an einer Zukunft zu arbeiten, in der jedes betroffene Kind und seine Familie die individuell notwendige Betreuung flächendeckend erhalten wird – dank und mit Ihnen!

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
PD Dr. med. Jürg C. Streuli, Co-Leitung PACT Ostschweizer Kinderspital und Institutsleitung Dialog Ethik