Einleitung
Die Ultraschalluntersuchung «am Patientenbett» (Point-of-Care-Ultraschall, POCUS, ein in diesem Artikel weit gefasster Begriff) gewinnt als Instrument bei der Beurteilung von Kindern und Jugendlichen in Kliniken für pädiatrische Endokrinologie zunehmend an Bedeutung. Tatsächlich sind die Kosten für Ultraschallgeräte im letzten Jahrzehnt gesunken, ihre Grösse hat sich verkleinert und die Bildqualität hat sich verbessert. Dies ermöglicht es den Kinderärzten, die Ultraschalluntersuchung insbesondere bei der Beurteilung des Wachstums (Knochenalter), der Pubertät (Hoden- oder Beckenultraschall) und der Schilddrüse einzusetzen. Ihre Verwendung ermöglicht eine schnelle Triage zwischen harmlosen oder pathologischen Fällen, die weitere Untersuchungen erfordern. Die POCUS validiert und ergänzt die körperliche Untersuchung, indem sie beispielsweise eine beim Abtasten des Halses entdeckte Struma bestätigt. Darüber hinaus ist die POCUS ein nützliches pädagogisches Lehrmittel für die medizinische Fortbildung und Weiterbildung. Bei der Interpretation der erhaltenen Bilder, insbesondere bei der Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse, ist jedoch Vorsicht geboten, um dem Patienten unnötige Ängste und überflüssige Untersuchungen zu ersparen.
Bestimmung des Knochenalters mittels Ultraschall
Die Kenntnis der Skelettreife, die als Knochenalter ausgedrückt wird, ist entscheidend bei der Beurteilung von Kleinwuchs bei Kindern. Die Differenz zwischen Knochenalter und chronologischem Alter ermöglicht jeweils eine Prognose der endgültigen Erwachsenengrösse und einen Vergleich dieser Prognose mit der elterlichen Zielgrösse.
Derzeit wird das Knochenalter mittels einer konventionellen Röntgenaufnahme der nicht dominanten Hand (meist der linken Hand) mithilfe der Methode nach Greulich und Pyle, der Methode nach Tanner und Whitehouse oder automatisierter Methoden bestimmt. Dies erfordert den Einsatz ionisierender Strahlung und grosser Geräte, deren Anschaffungs- und Wartungskosten für die meisten Ärzt:innen der Grundversorgung unerschwinglich geworden sind. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Methoden zur Bestimmung des Knochenalter mittels Ultraschall vorgeschlagen. Aktuell ist nur die Methode nach Wan et al., in einer Kohorte von über 1000 Kontrollfällen statistisch validiert(1).
Diese Methode basiert auf der Beurteilung von drei Stellen: der lateralen Epiphyse des Radius (R), der lateralen Epiphyse der Ulna (U) und der Epiphyse des inneren Epikondylus des Femurs (F) (Abb. 1–2). An diesen drei Stellen wurde das Verhältnis der Breite des Ossifikationszentrums der Epiphyse zur Gesamtbreite der Epiphyse (verknöcherter und knorpeliger Teil) ermittelt. Dieses Verhältnis wird für jede Stelle in Prozent ausgedrückt und dann addiert («RUF»-Gesamt-Score, für Radius, Ulna und Femur). Somit wird ein erwachsener, reifer Knochen vollständig ossifiziert sein und einen RUF-Score von 300 % haben, während noch unreife Knochen, z. B. bei Kindern im Alter von 0 bis 5 Jahren, einen RUF-Score zwischen 25 und 100 % aufweisen(2).
Bei der Schnellbestimmung ist ein interessanter Punkt zu beachten: Das Ossifikationszentrum der Ulna tritt bei Mädchen und Jungen erst ab dem 6. Lebensjahr auf (Abb. 2). Daher ist ein Auftreten dieses Ossifikationszentrums vor diesem Alter ein Anzeichen für eine beschleunigte Knochenreifung, beispielsweise bei einer vorzeitigen Pubertät. Umgekehrt wird ein Fehlen des ulnaren Ossifikationszentrums nach dem 9. Altersjahr mit einer verzögerten Knochenreifung assoziiert.
Bestimmung des Pubertätsstatus mittels Ultraschall
Aus physiologischer Sicht ist die Pubertät die Folge der Aktivierung der gonadotropen Achse. In der Pubertät erwacht die gonadotrope Achse aus der jugendlichen Ruhephase. GnRH aktiviert die Sekretion von Gonadotropinen (FSH/LH), die eine trophische (volumenvergrössernde) und aktivierende Wirkung auf die Gonaden haben. Bei Jungen vergrössert sich das Hodenvolumen, und die Leydig-Zellen beginnen mit der Produktion von Testosteron (zwischen dem 9. und 14. Lebensjahr). Bei Mädchen nimmt das Volumen der Ovarien zu, Östradiol wird produziert und regt das Wachstum der Brustknospen an. Dies führt zur Thelarche und der Vergrösserung des Gebärmuttervolumens (zwischen dem 8. und 13. Lebensjahr)(3).
Pubertät bei Mädchen: Ultraschall des kleinen Beckens
Bei der Ultraschalluntersuchung des kleinen Beckens wird die Morphologie des Uterus und der Ovarien beurteilt. Damit der Uterus gut abgebildet werden kann, muss die Blase voll sein.
Vor der Pubertät beträgt das Volumen der Ovarien weniger als 2 ml und ihre Länge weniger als 3,5 cm. Mit Beginn der Pubertät führt die Östrogen-Imprägnierung zu einer Zunahme des Volumens des Uterus (birnenförmiger Uterus), wobei das Verhältnis zwischen der Höhe des Corpus und der Cervix grösser als 1 ist (Abb. 3).
Pubertät bei Jungen: Ultraschall der Testes
In der Regel kann das Hodenvolumen bei der körperlichen Untersuchung mithilfe des Prader-Orchidometers leicht bestimmt werden. Eine Ultraschalluntersuchung ist jedoch gerechtfertigt, wenn ein signifikanter Volumenunterschied zwischen den Hoden beobachtet wird und wenn eine genaue manuelle Bestimmung des Hodenvolumens erschwert ist, beispielsweise bei nicht deszendierten Hoden, Hydrozelen, Varikozelen und starker Adipositas mit einem starkem Panniculus adiposus des Schambeins. Bei der Interpretation des Ultraschallergebnisses ist zu bedenken, dass das Orchidometer nach Prader den Nebenhoden und die Haut des Hodensacks misst, wodurch das Hodenvolumen zu hoch angesetzt wird. Daher entspricht das Ultraschallvolumen der Hälfte des klinisch beobachteten Hodenvolumens mit dem Prader-Orchidometer(4). Nach der entsprechenden Korrektur ist die Korrelation zwischen Ultraschall und klinischer Bestimmung ausgezeichnet (Abb. 4).
Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse bei Kindern und Jugendlichen
Eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse bei Kindern und Jugendlichen sollte nur dann durchgeführt werden, wenn beim Abtasten der Schilddrüse eine deutliche Asymmetrie zwischen den beiden Lappen festgestellt wird oder wenn ein tastbarer Knoten oder eine tastbare Masse vorhanden ist, die auf eine grosse Struma hindeutet. Die Obergrenze des im Ultraschall ermittelten Schilddrüsenvolumens variiert je nach Alter und Geschlecht (Tabelle 1)(5). Bei den meisten Hashimoto- und Basedow-Krankheiten ist ein Ultraschall für die Diagnose und Überwachung nicht erforderlich. Bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse zeigt der Ultraschall häufig eine Struma, eine heterogene Echostruktur mit hypoechogenen, knotenartigen Bereichen mit einem Durchmesser von bis zu 6 mm, die fälschlicherweise auf eine Neoplasie hindeuten und zu unnötigen Untersuchungen führen können(6) (Abb. 5 C, D und Abb. 6).
Bei Kolloidzysten bei Teenagern kann eine sich rasch entwickelnde Asymmetrie der Schilddrüse beobachtet werden. In den meisten Fällen kommt es zu einer spontanen Rückbildung (Abb. 7). Eine Asymmetrie beim Abtasten der Schilddrüse kann auch auf eine Hemiagenesie der Schilddrüse hinweisen, einer angeborenen, meist asymptomatischen Fehlbildung mit einer Prävalenz von 1:500 (0,2 %) in der normalen pädiatrischen Population(7) (Abb. 5 C und D). Obwohl Schilddrüsenkarzinome bei Kindern weniger häufiger vorkommen als im Erwachsenenalter, sollten Patienten mit einem hypoechogenen, vaskularisierten Knoten mit Mikroverkalkungen und verdächtigen zervikalen Lymphknoten im Ultraschall sofort zur Feinnadelpunktion an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden.
Schlussfolgerung
Dank des technischen Fortschritts gibt es immer kleinere und tragbare Ultraschallgeräte, die einfach zu bedienen sind und gute Bilder zu einem angemessenen Preis liefern. Infolgedessen steht dem Zugang zu Bildern guter Qualität nichts mehr im Wege und die Ärzt:innen können bei einer Konsultation sofort Antworten erhalten.
Es ist zwar technisch einfach, Bilder zu erstellen, doch für deren Interpretation muss der klinische Kontext (Anamnese, klinische Untersuchungen und Bluttests) berücksichtigt werden. Im Zweifelsfall ist es ratsam, eine zweite Meinung von erfahrenen Kolleg:innen oder Radiolog:innen einzuholen, um die pathologische Auslegung gutartiger Befunde zu vermeiden. Eine angemessene Interpretation der Bilder macht aus der POCUS ein hervorragendes und effizientes Triage-Instrument, das ihre Verwendung in der Grundversorgung rechtfertigt.
Referenzen
- Wan J, Zhao Y, Feng Q, Lv P, Hong K, Zhang C. Statistical Confirmation of a Method of US Determination of Bone Age. Radiology. 2021;300(1):176-83.
- Wan J, Zhao Y, Feng Q, Zhang C. Summation of Ossification Ratios of Radius, Ulna and Femur: A New Parameter to Evaluate Bone Age by Ultrasound. Ultrasound Med Biol. 2020;46(7):1761-8.
- Carel JC, Leger J. Clinical practice. Precocious puberty. N Engl J Med. 2008;358(22):2366-77.
- Goede J, Hack WW, Sijstermans K, van der Voort-Doedens LM, Van der Ploeg T, Meij-de Vries A, et al. Normative values for testicular volume measured by ultrasonography in a normal population from infancy to adolescence. Horm Res Paediatr. 2011;76(1):56-64.
- Zimmermann MB, Hess SY, Molinari L, De Benoist B, Delange F, Braverman LE, et al. New reference values for thyroid volume by ultrasound in iodine-sufficient schoolchildren: a World Health Organization/Nutrition for Health and Development Iodine Deficiency Study Group Report. Am J Clin Nutr. 2004;79(2):231-7.
- Van Vliet G, Deladoey J. Interpreting Minor Variations in Thyroid Function or Echostructure: Treating Patients, Not Numbers or Images. Pediatr Clin North Am. 2015;62(4):929-42.
- Shabana W, Delange F, Freson M, Osteaux M, De Schepper J. Prevalence of thyroid hemiagenesis: ultrasound screening in normal children. Eur J Pediatr. 2000;159(6):456-8.