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Die funktionelle Insulintherapie im Kindesalter

Die Funktionelle Insulintherapie (FIT) ist nach Erscheinen der Daten der grossen DCCTStudie der «Gold-Standard» in der Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) geworden1)–4), dies gilt insbesondere auch für betroffene Kinder und Jugendliche. Im Rahmen dieser DCCT-Studie konnte erstmals an einem grossen Patientenkollektiv gezeigt werden, dass eine intensivierte Insulintherapie mit mehrfachen Injektionen pro Tag zu einer signifikanten Verbesserung des HbA1c-Wertes und damit zu einer entsprechenden Minimierung des Risikos für mikrovaskuläre Spätkomplikationen führt. Darüber hinaus bietet diese Therapieform auch eine grössere Flexibilität im Tagesablauf und bei den Mahlzeiten, was gerade im Kindes- und Jugendalter von grossem Nutzen ist. Nachteilig dabei war zunächst, dass die bessere respektive tiefere Blutzuckereinstellung zu gehäuften Hypoglykämien führte. Im Weiteren sind zu einer guten Einstellung mehr Blutzucker (BZ)-Selbstkontrollen und auch mehr «Rechenarbeit» notwendig, da zu jeder Mahlzeit die Insulinmenge je nach Kohlenhydratmenge und aktuellem Blutzucker neu berechnet werden muss. Die «vermehrte Kopfarbeit» ist geblieben, aber die Zahl der Hypoglykämien hat sich im Verlauf der letzten Jahre durch die Verwendung modernerer und kürzer wirkender Insuline und durch die Einführung und Etablierung der Insulinpumpentherapie auch in der Pädiatrie, mit und ohne kontinuierliche Glukosemessung, deutlich reduziert5), 6). Ausnahmen für die Wahl einer intensivierten FIT-Therapie können neben beschränkten Ressourcen der Familie auch erhebliche Compliance-Probleme sein; aber eventuell auch die initiale Remissionsphase mit einem zum Teil sehr geringen Insulinbedarf. Ansonsten sollte die FIT heutzutage aber die Standardtherapie für alle Kinder und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes (T1D) darstellen. Die am besten mit der normalen Insulin-Sekretion korrelierende Therapieform ist nach dem heutigen Stand die Insulinpumpentherapie, so dass sich seit dem Jahr 2000 die Zahl der Kinder mit einer Insulinpumpentherapie in Deutschland verdoppelt hat6). Verwendet wird dabei nur ein schnellwirksames Insulin, das «Basalinsulin» wird ersetzt durch eine kontinuierliche Basalrate, die halbstündlich bis stündlich dem jeweiligen Bedarf des Kindes respektive des Jugendlichen angepasst werden kann. Dadurch kann diese Therapieform die Insulin-Sekretion des Stoffwechselgesunden am physiologischsten nachahmen. Ziel der Therapie sollte immer das Erreichen der bestmöglichen Stoffwechselkontrolle (HbA1c-Wert) sein, um langfristig das Risiko für Diabetes-assoziierte Spätkomplikationen zu minimieren; dies ohne aber allzu häufige und schwere Hypoglykämien zu provozieren! Was dabei der optimale HbA1c-Wert für das jeweilige Kind und den Jugendlichen ist, muss im Team mit den Betroffenen und den Eltern individuell festgelegt werden. Eine Langzeiteinstellung mit einem HbA1c-Wert < 7.5 % erscheint dabei für alle Altersgruppen sicher wünschenswert3), was aber nicht immer erreichbar ist. Unsere Zielwerte für den Nüchtern-BZ liegen im Allgemeinen zwischen 4 und 7 mmol/l, postprandial sollte der BZ idealerweise nicht über 10 mmol/l ansteigen.

Weitere Informationen

Autoren/Autorinnen
Melanie Hess
Prof. Dr.  Urs Zumsteg, Päd. Endokrinologie/Diabetologie, Universitätskinderspital beider Basel UKBB