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Diagnose und Therapie der Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen

Die Mutter eines 10-jährigen Mädchens meldete sich wegen Husten und hohem Fieber beim Hausarzt. Die Symptome bestanden seit 4 Tagen. Das Mädchen war bisher gesund und hatte alle empfohlenen Impfungen erhalten. Aufgrund der Anamnese wurde eine Pneumonie vermutet.

Einleitung

Definition

Eine untere Atemwegsinfektion betrifft definitionsgemäss die Atemwege unterhalb des Larynx und schliesst somit die Pneumonie, Bronchitis und Bronchiolitis ein. Der Übergang dieser drei Krankheitsbilder ist fliessend und die klinische Unterscheidung entsprechend schwierig. Die häufigste Pneumonie im Kindes- und Jugendalter ist die ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia, CAP). Die CAP ist eine akute Infektion des Lungenparenchyms, welche ausserhalb vom Spital oder anderen Gesundheitseinrichtungen erworben wird. Sie ist einer der häufigsten Hospitalisationsgründe bei Kindern in Industrieländern1) und immer noch die häufigste Todesursache von Kindern in Entwicklungsländern2,3).

In den letzten Jahren gab es wesentliche Fortschritte im Verständnis der Diagnose und Therapie der CAP, welche das Management beeinflussen und im Fokus dieser Übersicht stehen.

Erregerspektrum nach Einführung der Impfungen

Die Inzidenz und das Erregerspektrum der CAP haben sich durch die Einführung von Konjugatimpfstoffen gegen Streptococcus pneumoniae (pneumococcal conjugate vaccine, PCV) und Haemophilus influenzae Typ b (Hib) wesentlich verändert (Abbildung 1).

Abbildung 1. Meilensteine der Pneumonie und die Veränderung des Erregerspektrums.

Abkürzungen: Hib, Haemophilus influenzae Typ b; PCR, Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction); PCV, Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (pneumococcal conjugate vaccine). Abbildung: P.M. Meyer Sauteur. Kreisdiagramme adaptiert nach Feikin et al.5) bzw. Jain et al.1) Nachnamen von Erfindern/Entdeckern sind in Klammern aufgeführt. * Nobelpreisträger. Die Geschichte der genau definierten Pneumonie geht nur bis 1800 n. Chr. zurück. Zuvor sprach man von „Peripneumonie“ als krankhafte Veränderung, ohne Unterscheidung zwischen Pneumonie und Pleuritis. Die ersten Meilensteine beinhalteten die exakte klinische Beschreibung mithilfe der Erfindung des Stethoskopes (Auskultationsbefunde) und der Autopsie (Pneumonie-Formen: Lobär-, Bronchopneumonie und interstitielle Pneumonie)4). Danach folgten weitere Meilensteine, wie z.B. die Erstbeschreibung der bakteriellen Pneumonie-Erreger (Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Mycoplasma pneumoniae), die Erfindung der Röntgentechnik und die Einleitung der Antibiotika-Ära durch die Entdeckung des Penicillins. Die Erfindung der Polymerase-Kettenreaktion ermöglichte den Nachweis von zahlreichen bakteriellen und viralen Pneumonie-Erregern, deren Verteilung durch die Entwicklung und Einführung der Konjugatimpfstoffe gegen S. pneumoniae (PCV) und H. influenzae Typ b (Hib) wesentlich beeinflusst wurde1,3).

In neueren, gross angelegten Studien wurden umfangreiche mikrobiologische Tests durchgeführt, um die Ätiologie bei Kindern und Jugendlichen mit einer radiologisch bestätigten CAP zu untersuchen1-3). Ein viraler und/oder bakterieller Erreger wurde in 81–99% dieser Kinder in den oberen Atemwegen nachgewiesen. Viren machten dabei die Mehrheit der Erreger aus1-3), insbesondere bei Kleinkindern (>90%)2). Der häufigste nachgewiesene Erreger bei hospitalisierten Kindern mit einer CAP in den USA im Jahre 2015 war das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Der häufigste bakterielle Erreger war Mycoplasma pneumoniae. Der Anteil an RSV war bei Kindern unter 5 Jahren signifikant höher als bei älteren Kindern (37% vs. 8%)1). Umgekehrt war bei Kindern ab 5 Jahren der Anteil von Mycoplasma pneumoniae höher als bei jüngeren Kindern (19% vs. 3%) (Tabelle 1)1).

Tabelle 1. Häufigste nachgewiesene Erreger bei Kindern mit einer CAP nach Altersgruppe.

Diese Studien stützen die klinische Beobachtung, dass heutzutage nicht nur die Bronchitis und Bronchiolitis, sondern auch die CAP überwiegend durch Viren verursacht werden.

Erregerspektrum nach COVID-19

Durch die Einführung von nicht-pharmazeutischen Massnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie (u.a. Maskenpflicht) im März 2020 ist es zu einem massiven Rückgang der Fallzahlen mit teilweise kompletten Verschwinden nahezu aller Atemwegsinfektionen gekommen7). Dies widerspiegelte sich eindrücklich in der signifikanten Abnahme von Hospitalisierungen durch die CAP8). Die Zirkulation von SARS-CoV-2 hatte hingegen keinen Einfluss auf die Inzidenz der CAP, da sich COVID-19 bei immunkompetenten Kindern und Jugendlichen nicht als CAP manifestiert.

Anstatt der üblicherweise jährlich im Winter auftretenden RSV-Welle kam es nach Lockerungen der Massnahmen in der Schweiz zu einem aussersaisonalen Anstieg der RSV-Aktivität im Sommer 20219). Nach dem Wegfallen aller Massnahmen zirkulierten auch die meisten anderen Erreger von Atemwegsinfektionen wieder10). Mycoplasma pneumoniae ist seither jedoch noch nicht wieder aufgetreten (Stand November 2022)10).

Es bleibt unklar, ob, wann und in welchem Ausmass sich die Epidemiologie der Erreger der CAP von vor der COVID-19-Pandemie wiederherstellt.

Diagnose

Klinik

Die CAP wird in erster Linie klinisch diagnostiziert. Die Symptome variieren mit dem Alter des Kindes und sind sehr vielseitig. Typische Zeichen einer unteren Atemwegsinfektion sind Tachypnoe, Einziehungen (subkostal, interkostal oder jugulär), exspiratorisches Stöhnen („grunting“), Nasenflügeln und Apnoen (im Säuglingsalter)11). Allgemeine Symptome wie hohes Fieber, Schüttelfrost, reduzierter Allgemeinzustand (auch nach Fiebersenkung), Husten, Thorax- und Bauchschmerzen, sowie eine Vigilanzminderung können auf eine CAP hinweisen.

Eine CAP muss bei Fieber und Tachypnoe (nach Fiebersenkung) in Betracht gezogen werden12). Die Definition von Fieber (und Messmethode) ist altersabhängig wie folgt festgelegt: <3 Monate, ≥38.0°C (rektal); 3–12 Monate, ≥38.5°C (rektal); und ab 1 Jahr, ≥38.5°C (aurikulär). Die Tachypnoe scheint das wichtigste klinische Zeichen zu sein, da sie mit Hypoxämie, pneumonischen Infiltraten im Thoraxröntgenbild und insgesamt mit dem Schweregrad der CAP korreliert12). Sie ist je nach Alter entsprechend definiert: <2 Monate, >60 Atemzüge/min; 2–12 Monate, >50/min; 1–5 Jahre, >40/min; und >5 Jahre, >20/min11). Die Atemfrequenz sollte, wenn möglich, über eine ganze Minute bei ruhigem Kind gezählt werden. Fieber allein kann die Atemfrequenz um 10 Atemzüge pro Minute und Grad Celsius Körpertemperatur erhöhen13).

Auch die Bronchitis und Bronchiolitis gehen oft mit Fieber und Tachypnoe einher. Die klinische Unterscheidung ist daher entsprechend schwierig. Kinder und Jugendliche mit Pfeifen und/oder Giemen („wheeze“) in der Lungenauskultation oder mit Symptomen der oberen Atemwege (z.B. Rhinitis, Pharyngitis) haben jedoch selten eine CAP12). Hinweisend für eine CAP sind ein verstärktes oder auch abgeschwächtes Atemgeräusch sowie feinblasige Rasselgeräusche bei Inspiration. Eine Klopfschalldämpfung spricht für ein lobäres Infiltrat und/oder Pleuraerguss11,12).

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass man anhand von klinischen, laborchemischen und radiologischen Kriterien bei Kindern und Jugendlichen mit einer nicht-schweren CAP nicht zuverlässig zwischen einer bakteriellen und viralen Ätiologie unterscheiden kann11,12). Daher sollten sich Therapieentscheidungen vielmehr am Alter, an der Epidemiologie und an dem für das Alter zu erwartenden Erregerspektrum orientieren. Zusätzliche Untersuchungen können je nach Risiko-Abschätzung durchgeführt werden (Schweregrad, Risikofaktoren, Hinweise für Komplikationen; siehe unten).

Das Mädchen war in leicht reduziertem Allgemeinzustand. Bei der klinischen Untersuchung wurde aufgrund einer Tachypnoe und Rasselgeräuschen über der linken Lunge eine Pneumonie diagnostiziert. Es lagen keine Risikofaktoren oder Hinweise für Komplikationen vor.

Mikrobiologie

Die Erregerdiagnose der CAP ist eine Herausforderung. Deshalb werden mikrobiologische Tests generell nur für Kinder und Jugendliche mit einer CAP empfohlen, welche hospitalisiert werden müssen11,12).

Der „Goldstandard“ für die mikrobiologische Diagnose der CAP ist der Nachweis von Erregern direkt am Ort der Infektion, d.h. in der Lunge. Diese Proben können durch bronchoalveoläre Lavage, Pleurapunktion oder Lungenbiopsie entnommen werden (Abbildung 2).

Abbildung 2. Proben und Testmethoden für die Diagnostik der CAP.

Abkürzungen: ASC, Antikörper-sezernierende Zellen; ELISA, Enzyme-linked Immunosorbent Assay (Serologie); ELISpot, Enzyme-linked Immunospot Assay (Zell-basierter Test); PCR, Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction). Abbildung: P.M. Meyer Sauteur (adaptiert von14)). In fettgedruckter Schrift sind Proben direkt von der Lunge dargestellt („Goldstandard“ für die mikrobiologische Diagnose der CAP). * Die Messung der Ausatmungsluft mittels Massenspektrometrie und ** der Nachweis von ASC mittels ELISpot (siehe unten) sind noch keine validierten Testverfahren für die Erregerdiagnose der CAP.

Da diese Methoden sehr invasiv sind und bei Kindern und Jugendlichen einer Narkose bedürfen, werden sie sehr zurückhaltend angewendet. Sputum und Trachealsekret sind Proben der unteren Atemwege, welche oft durch Erreger aus den oberen Atemwegen kontaminiert sind. Zudem kann ein Kind im Unterschied zum Jugendlichen und Erwachsenen Sputum nur selten auf Abruf aushusten. Im klinischen Alltag behilft man sich daher mit Proben, die zwar vom Ort der Infektion entfernt, aber leichter zu gewinnen sind, wie Sekreten der oberen Atemwege, Blut und Urin.

Testresultate von diesen Proben müssen jedoch sorgfältig interpretiert werden: Keine einzelne Methode, die auf solchen nicht-pulmonalen Proben beruht, hat gleichzeitig eine hohe Sensitivität und Spezifität für die Erregerdiagnose der CAP14). Beispielsweise wurden in einer Studie bei jeweils mehr als der Hälfte der Fälle bei Kindern mit einer CAP (59%) und bei gesunden Kindern (54%) mittels Multiplex-PCR ≥4 Erreger in den oberen Atemwegen nachgewiesen3). Nur RSV detektierte man seltener bei gesunden als bei kranken Kindern2,3). Insgesamt bedeutet der Nachweis mehrerer potentieller Erreger in den oberen Atemwegen von Kindern und Jugendlichen mit einer CAP lediglich eine Kolonisation, eine Persistenz nach früherer Infektion oder eine obere Atemwegsinfektion und muss nicht ursächlich für die CAP sein14). Diese Tatsache erschwert die Zuordnung eines Erregers in den oberen Atemwegen zur CAP. Blutkulturen sind seit Einführung der Hib- und PCV-Impfprogramme nur noch in <1% der Fälle von nicht-schwerer CAP positiv11). Falls sie tatsächlich positiv sind, sind sie jedoch hochspezifisch für die ätiologische Diagnose einer CAP. Im Gegensatz dazu sind Antigentests für Pneumokokken im Urin auch bei kolonisierten Kindern und Jugendlichen positiv und weisen daher nur eine geringe Spezifität auf3). Eine Kolonisation mit Pneumokokken findet man in bis zu 77% bei gesunden Kindern14). Ausserdem kann die Kolonisation auch eine systemische Antikörperreaktion hervorrufen und somit den Aussagewert der Serologie im Blut für die Erregerdiagnose der CAP wesentlich einschränken14).

Vielversprechende innovative diagnostische Ansätze für die Zukunft sind neue Biomarker, die multidimensionale Analyse der Abwehrreaktion, die molekulare Analyse der Ausatmungsluft und neue analytische Ansätze14). Bei der CAP durch M. pneumoniae konnten wir zeigen, dass der Nachweis von Erreger-spezifischen Antikörper-sezernierenden Zellen (ASC, sog. Plasmablasten) mittels Enzyme-linked Immunospot (ELISpot) Test ein effizienter diagnostischer Indikator einer Infektion mit M. pneumoniae ist – im Unterschied zu einer Kolonisation, bei der keine solchen B-Zellen im Blut vorhanden sind15,16). Die Methode wird nun validiert und auf andere Erreger der CAP ausgeweitet.

Der Hausarzt verzichtete bei dem Mädchen auf weitere Untersuchungen. Er startete eine ambulante, perorale antibiotische Therapie mit Clarithromycin.

Therapie

Management

Die Verschreibung von Antibiotika nimmt mit der diagnostischen Unsicherheit zu17). Die CAP ist ein Hauptgrund für die Verschreibung von Antibiotika bei Kindern. Antibiotika werden bei Kindern mit einer CAP häufig „nur für den Fall“ verschrieben, aus Angst vor einer raschen klinischen Verschlechterung, einer zukünftigen Hospitalisation oder Komplikationen durch eine bakterielle Infektion17).

Um diese Angst zu verringern, sollte nach der klinischen Diagnose der CAP bei jedem Kind und Jugendlichen eine Risikobeurteilung stattfinden. Eine Zuweisung ins Spital wird bei einer mittelschweren bis schweren CAP, bei Vorliegen von Risikofaktoren oder Hinweisen auf Komplikationen empfohlen (Abbildung 3). Die meisten Kinder und Jugendlichen mit einer CAP können aber ambulant betreut werden.

Abbildung 3. Algorithmus für das Management der CAP bei Kindern und Jugendlichen.

Abkürzungen: CRP, C-reaktives Protein; MIRM, M. pneumoniae-induced rash and mucositis; PCT, Procalcitonin; RIME, reactive infectious mucocutaneus eruption; SpO2, pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung. Abbildung: P.M. Meyer Sauteur, adaptiert nach Haq et al.6) * Im Gegensatz zu Erwachsenen ist für Kinder kein spezifischer Score verfügbar, um den Schweregrad einer CAP abzuschätzen. ** Details zur Dosierung und Dauer der Antibiotika-Therapie sind in Tabelle 2 aufgeführt. *** Follow-up bei ausbleibender Besserung unter antibiotischer Therapie oder bei “watchful waiting”. Bei Verschlechterung ist eine sofortige bzw. zeitnahe Vorstellung notwendig.

“Watchful waiting”

Die Entscheidung für oder gegen eine Antibiotika-Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit einer CAP wird aufgrund der Einschätzung von klinischem Bild und zu erwartenden Erregern anhand des Alters und der Epidemiologie getroffen. Da die Mehrheit der CAP bei Kindern durch virale Erreger bedingt ist, muss nicht jeder Patient mit einer nicht-schweren CAP ohne Risikofaktoren antibiotisch behandelt werden17). Im Gegenteil: Es ist durchaus vertretbar, in einer solchen Situation abzuwarten und zu beobachten (“watchful waiting”). Voraussetzungen dafür sind die ausführliche Aufklärung der Eltern über Warnzeichen, welche zu einer sofortigen bzw. zeitnahen Wiedervorstellung führen müssen (“safety-netting”), und die Gewährleistung einer klinischen Kontrolle nach 48 bis 72 Stunden. Mit diesem Vorgehen wird nicht nur der Resistenzentwicklung von Bakterien entgegengewirkt, sondern auch Nebenwirkungen verhindert und Kosten verringert17).

Antibiotika

Die erste Wahl für die Behandlung der CAP bei Kindern und Jugendlichen ist gemäss aktueller Richtlinien immer noch Amoxicillin11,12,18), da es gegen die meisten bakteriellen Erreger der CAP (v.a. Pneumokokken) wirksam, gut verträglich und preiswert ist. Die Verabreichung sollte immer peroral erfolgen, wenn die orale Medikamenteneinnahme und enterale Resorption gewährleistet ist. Cephalosporine und Makrolide sollen wegen der Resistenzentwicklung von Bakterien generell nicht für die primäre Behandlung der CAP bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Nur bei einer Penicillin-Allergie oder bei Bestätigung einer CAP durch M. pneumoniae oder Chlamydia pneumoniae (siehe unten) können Makrolide oder Tetrazykline (ab 8 Jahren) eingesetzt werden.

Die erschwerte Erregerdiagnose ist auch ein Problem bei Studien, welche den Nutzen einer Antibiotika-Therapie bei der CAP evaluieren. Aufgrund der schwierigen klinischen Unterscheidung zwischen einer bakteriellen und viralen CAP wird der Effekt von Antibiotika oft auch bei vermutlich viraler CAP beurteilt und dadurch möglicherweise bezogen auf eine bakterielle CAP unterschätzt bzw. verzerrt (Pollyanna-Prinzip)17).

Zwei neue randomisiert-kontrollierte Studien haben die Dauer einer oralen Therapie mit Amoxicillin bei Kindern mit einer CAP analysiert. Die SAFER-Studie (USA, 2 Zentren, 281 Kinder) konnte bei radiologisch bestätigter CAP die Empfehlungen aktueller Richtlinien bekräftigen, dass die 5- einer 10-tägigen Behandlung nicht unterlegen ist19). Jedoch wurden auch bei der SAFER-Studie bei ca. zwei Drittel der Patienten mittels PCR im Nasopharyngealabstrich Viren nachgewiesen (v.a. RSV). In der CAP-IT-Studie (UK, 29 Zentren, 824 Kinder) konnte sogar gezeigt werden, dass eine 3- bzw. 7-tägige Therapie einen vergleichbaren Behandlungserfolg hat20). Zudem war für beide Therapiedauern eine niedrige Amoxicillin-Dosis (30–50 mg/kg/Tag) einer hohen Dosierung (70–90 mg/kg/Tag) nicht unterlegen. Jedoch wurde in dieser Studie die CAP ausschliesslich klinisch diagnostiziert (keine Röntgenuntersuchungen und keine mikrobiologische Diagnostik). Da v.a. sehr junge Kinder eingeschlossen wurden, ist es auch bei dieser Studie sehr wahrscheinlich, dass zahlreiche Kinder mit einer viralen CAP eingeschlossen wurden und der Effekt der Antibiotika möglicherweise verzerrt, also gegenüber der Behandlung einer bakteriellen CAP unterschätzt wurde. Die Diagnosestellung in der CAP-IT-Studie entspricht aber den aktuellen Empfehlungen und der Realität in der Praxis. Die Resultate können deshalb in der Praxis auf Kinder mit einer nicht-schweren CAP übertragen werden.

Zusammenfassend wird aktuell eine kürzest mögliche Behandlungsdauer empfohlen, in der Regel für 5 Tage für die nicht-schwere CAP18). Falls das Kind bereits vorher gesund ist, kann wohl eine Dauer von 3 Tagen ausreichen20). Eine Übersicht über Antibiotika-Wahl, -Dosierung und -Dauer ist in Tabelle 2 zusammengestellt.

Bei ausbleibender Besserung trotz Antibiotika-Therapie meldete sich die Mutter wieder beim Hausarzt. Nach einer kurzzeitig leichten Besserung war das Mädchen immer noch febril und hatte starken Husten, nunmehr seit 9 Tagen. Zudem hatte sie ausgeprägte Schmerzen im Mund. Mittlerweile waren auch die Mutter und die beiden Brüder (5 und 7 Jahre) an einer Pneumonie erkrankt. Der Hausarzt hat das Mädchen direkt auf die Notfallstation zugewiesen.

Tabelle 2. Ambulante Antibiotika-Therapie für die nicht-schwere CAP bei Kindern und Jugendlichen.

Nicht-Ansprechen

Eine Nachkontrolle ist nur bei ausbleibender Besserung unter antibiotischer Therapie oder bei “watchful waiting” notwendig. Gründe für eine ausbleibende Besserung trotz adäquater Therapie („Nicht-Ansprechen“) können vielseitig sein (Abbildung 3). In Betracht zu ziehen ist die Möglichkeit einer falschen Diagnose, einer Penicillin-Resistenz oder von Komplikationen.

Resistenzen von Pneumokokken gegenüber Penicillinen sind in der Schweiz noch eher selten (2%), gegenüber Makroliden jedoch höher (6%) (www.anresis.ch). Am höchsten sind die Resistenzraten von Pneumokokken in der Region Genf (Penicilline, 10%; Makrolide, 8%). Die Antibiotikaresistenzen von Pneumokokken haben nach Einführung von PCV7 bzw. PCV13 abgenommen, weil weniger empfindliche Serotypen in der Impfung eingeschlossen wurden21).

Mögliche Komplikationen der CAP bei Kindern und Jugendlichen sind in Tabelle 3 zusammengestellt. In ca. 1% der Fälle kommt es bei der CAP zur Entwicklung einer Pleuropneumonie22). Extrapulmonale Manifestationen treten in bis zu einem Drittel der Fälle bei der CAP durch M. pneumoniae auf und können nahezu jedes Organ betreffen (v.a. Haut und Nervensystem)23,24).

Auf der Notfallstation war das Mädchen in einem reduzierten Allgemeinzustand mit 39.4°C Fieber. Ein Thoraxröntgenbild bestätigte die Diagnose einer Pneumonie. Zudem hatte sie eine Konjunktivitis und eine ausgeprägte enorale Mukositis (Abbildung 4). Die Entzündungswerte waren nur leicht erhöht (Leukozyten 12 G/L, CRP 13 mg/L).

Tabelle 3. Komplikationen der CAP bei Kindern und Jugendlichen.
Abbildung 4. 10-jähriges Mädchen mit einer CAP und Mukositis.

Abkürzungen: ASC, Antikörper-sezernierende Zellen; ELISA, Enzyme-linked Immunosorbent Assay; ELISpot, Enzyme-linked Immunospot Assay; Ig, Immunglobulin; PBMCs, Periphere mononukleäre Blutzellen (peripheral blood mononuclear cells); PCR, Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction); U, Einheiten (units). Abbildung: P.M. Meyer Sauteur. Publikation der Fotos mit Erlaubnis von JAMA Dermatology24). Radiologischer Nachweis eines pneumonischen Infiltrates im Unterlappen links (oben links). Fotos der Patientin mit eitriger Konjunktivits, oraler Mukositis und minimaler Hautbeteiligung mit targetoider Läsion (Kokarden) palmar (oben rechts). Der Nachweis von M. pneumoniae-spezifischen IgM ASC mittels ELISpot bei nicht möglichem Rachenabstrich (aufgrund der Mukositis) erbrachte bereits initial die Diagnose einer M. pneumoniae-induced rash and mucositis (MIRM). M. pneumoniae-spezifische IgM ASC waren nur bis 23 Tage nach Symptombeginn nachweisbar, im Gegensatz zu IgM im Blut und DNA im Rachen, welche über Monate persistierten (unten).

Kein Ansprechen auf Amoxicillin ist aber auch ein zuverlässiger diagnostischer Hinweis auf eine Infektion mit M. pneumoniae23). Zusätzliche klinische und laborchemische Kriterien können bei der Diagnose einer CAP durch M. pneumoniae helfen: Alter >5 Jahre, prolongierte Symptomdauer (>6 Tage), Hautbeteiligung, Familie auch mit Symptomen eines Atemweginfektes, sowie CRP- und Procalcitonin-Werte, welche normal oder nur leicht erhöht sind26). Therapieoptionen für die CAP durch M. pneumoniae sind Makrolide oder Tetrazykline (ab 8 Jahren) (Tabelle 2). Es ist jedoch weiterhin unklar, ob diese Antibiotika tatsächlich wirksam sind27,28). Trotzdem werden Makrolide weltweit sehr grosszügig eingesetzt, was zu alarmierenden Resistenzraten von M. pneumoniae geführt hat (Asien: >90%, Schweiz: 2–9%)23,29). Die CAP durch M. pneumoniae ist in der Regel mild und selbst-limitierend16,26). Diese Beobachtung und neue Forschungsergebnisse stützen die Hypothese einer immunvermittelten Pathogenese dieser Infektion, das heisst die CAP wird nicht durch M. pneumoniae direkt, sondern die einsetzende Immunreaktion hervorgerufen (möglicherweise durch eine spezifische T-Zell-Immunantwort)23,30). Deshalb kann auch bei diesen Patienten mit einer Antibiotika-Therapie zugewartet und das Kind beobachtet werden. Falls eine Antibiotika-Therapie in Betracht gezogen wird, sollte in dieser speziellen Situation zuvor ein Erregernachweis mittels PCR angestrebt werden (Abbildung 3). Die Wirksamkeit von Makroliden bei der CAP durch M. pneumoniae bei Kindern und Jugendlichen werden wir in einer grossen, durch den Schweizerischen Nationalfonds finanzierten, multizentrischen Studie untersuchen (www.mythic-study.ch).

Bei primärem Verdacht auf eine medikamentös-toxische Reaktion wurden das Clarithromycin und alle anderen zuvor eingenommenen antipyretischen Medikamente gestoppt. Die Durchführung eines (Nasen-)Rachenabstriches war aufgrund der ausgeprägten Mukositis nicht möglich. Nach Abnahme von Blutkulturen wurde das Mädchen rehydriert und zur weiteren Überwachung hospitalisiert. Der Nachweis von M. pneumoniae-spezifischen IgM ASC mittels ELISpot ermöglichte innerhalb von 24 Stunden die Diagnose einer M. pneumoniae-induced rash and mucositis (MIRM). Die Patientin wurde für MIRM entsprechend während 3 Tagen mit Methylprednisolon (3 mg/kg/Dosis, 1x täglich) behandelt, konnte nach 5 Tagen entlassen werden und erholte sich vollständig innerhalb von 17 Tagen nach Symptombeginn.

Zusammenfassung

Die rechtzeitige und zuverlässige Erregerdiagnose der CAP ist entscheidend für die Einleitung einer gezielten und wirksamen Antibiotika-Therapie. Durch die erfolgreichen pädiatrischen Impfprogramme (PCV und Hib) der letzten drei Jahrzehnte hat sich die Inzidenz und das Erregerspektrum der CAP wesentlich verändert. Die mit Abstand am häufigsten nachgewiesenen Erreger bei Kindern und Jugendlichen mit einer CAP sind heute Viren. Eine CAP durch Pneumokokken soll jedoch antibiotisch behandelt werden, da sie schwer verlaufen kann. Sie ist daher immer noch der Hauptgrund für eine empirische Antibiotika-Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit einer CAP. Im Gegensatz dazu ist die CAP durch M. pneumoniae meistens mild und selbst-limitierend und erfordert in der Regel keine Antibiotika-Therapie.

Wesentliche Erkenntnisse der Pneumonie-Forschung der letzten Jahre sind die überwiegende virale Ätiologie, die unzureichende Unterscheidbarkeit von Kolonisation und Infektion mit aktuellen, nicht-invasiven diagnostischen Testmethoden und die alarmierende Resistenzentwicklung von Bakterien durch den nicht-adäquaten Einsatz von Antibiotika bei der CAP. Neben der Verringerung der diagnostischen Unsicherheit gilt es somit auch die Exposition der an einer CAP erkrankten Kinder gegenüber Antibiotika zu reduzieren. Dazu sind Richtlinien verschiedener Gesellschaften in der Schweiz und Europa unter Mitwirkung der Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz (www.pigs.ch) aktuell in Überarbeitung, welche u.a. die Empfehlungen dieser Übersicht beinhalten werden.

Es sind dringend weitere Fortschritte in der Erregerdiagnose und im Verständnis der komplexen Pathophysiologie der CAP notwendig, damit betroffene Kinder und Jugendliche künftig adäquat mit Antibiotika behandelt werden und dadurch auch der Resistenzentwicklung von Bakterien entgegengewirkt wird.

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Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
PD Dr. Dr. med.  Patrick M. Meyer Sauteur, Oberarzt mbF, Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene, Forschungsgruppenleiter Labor- und klinische Forschung, Universitäts-Kinderspital, Zürich