Michaela Fux und Anne Tscherter teilen sich die Erstautorenschaft.
Matthias R. Baumgartner und Claudia E. Kühni teilen sich die Letztautorenschaft.
Lead
Etwa 580 000 Personen in der Schweiz leben mit einer seltenen Krankheit, allerdings besteht bei vielen seltenen Krankheiten eine grosse Wissenslücke. Dieser Artikel präsentiert die wichtigsten Informationen zum Schweizer Register für seltene Krankheiten, das gegründet wurde, um diese Lücke zu schliessen.
Seltene Krankheiten: Insgesamt häufig
In Europa wird eine Krankheit als selten eingestuft, wenn sie bei weniger als 50 von 100 000 Personen auftritt(1). Derzeit sind etwa 8 000 seltene Krankheiten bekannt. Zu den häufigeren gehört die zystische Fibrose mit einer Inzidenz von aktuell 34 auf 100 000 Personen in der Schweiz(2). Die meisten seltenen Krankheiten sind viel seltener.
Insgesamt sind bis zu 6 % der Weltbevölkerung von einer seltenen Krankheit betroffen(3). Für die Schweiz sind das mehr als 500 000 Personen, ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung(4).
Datenlage zu seltenen Krankheiten ist schmal
Obwohl seltene Krankheiten in ihrer Gesamtheit häufig und für das Gesundheitssystem relevant sind, fehlen genaue epidemiologische Zahlen für die Schweiz. Einige seltene Krankheiten sind schwer zu diagnostizieren, was zu einer Fehleinschätzung der Häufigkeit führen kann. Hinzu kommt, dass Diagnosen von seltenen Krankheiten in den amtlichen Statistiken, wie Krankenhausstatistik und Todesursachenstatistik, bisher mit dem ICD-10 System (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision) erfasst wurden. Das ICD-10 ist jedoch für eine präzise Klassifizierung seltener Krankheiten unzureichend. Viele Krankheiten haben keinen eigenen ICD-10 Code, wie z.B. die Primäre Ciliäre Dyskinesie (PCD)(5). Bei anderen Erkrankungen ist der Code ungenau. Zum Beispiel werden alle verschiedenen Immundefekte des Komplementsystems unter einem gemeinsamen Code zusammengefasst(6). Ein weiteres Beispiel sind die Muskeldystrophien, welche im ICD-10 Code unter G71.0 zusammengefasst sind, wo aber mehr als 40 unterschiedliche genetisch determinierte Formen bekannt sind(7). Die ungenügende Erfassung seltener Krankheiten in amtlichen Statistiken und Datensätzen führt zu Fehleinschätzungen der Krankheitshäufigkeit, da nicht alle Betroffenen in den Gesundheitssystemen sichtbar sind, sowie zu Schwierigkeiten bei der Bewilligung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen und der Überprüfung der Behandlungsergebnisse. Die 11. Revision, ICD-11, ist für seltene Krankheiten etwas spezifischer als ICD-10, aber immer noch viel zu wenig präzise und ihre Einführung in der Schweiz noch nicht konkret geplant.
Orphanet Nomenklatur
Orphanet ist die führende internationale Referenzwissensdatenbank für seltene Krankheiten, die medizinischen Fachkräften, Forschenden und Entscheidungstragenden weltweit zugänglich ist. Orphanet hat den ORPHA-Code entwickelt, eine einheitliche Nomenklatur für seltene Krankheiten, und pflegt diese. Jede seltene Krankheit wird mit einem eindeutigen ORPHA-Code versehen. Diese ORPHA-Codes dienen nicht nur als praktische Referenz, sondern schaffen auch eine gemeinsame Sprache, die Fachkräfte auf der ganzen Welt verstehen und nutzen können.
Um die vorherigen Beispiele aufzugreifen: PCD wird mit ORPHA:244 codiert. Und anstelle einer einzigen ICD-10 Kennnummer für die Immundefekte des Komplementsystems werden diese in zwei Krankheitsgruppen mit je fünf Krankheiten eingeteilt, jede mit eigenem ORPHA-Code (Abbildung 1). Der OPRHA-Code macht seltene Krankheiten in Gesundheitsinformationssystemen zählbar und vereinfacht die Forschung. Deshalb haben alle Schweizer Universitätsspitäler und viele Kantonsspitäler begonnen, nicht nur den ICD-10 sondern auch den zugehörigen ORPHA-Code zu verwenden.
Massnahmen auf der politischen Bühne
Aufgrund des wachsenden Bewusstseins für die Herausforderungen im Bereich seltene Krankheiten hatte der Bundesrat das Nationale Konzept Seltene Krankheiten und seine Umsetzungsmassnahmen 2014 angenommen. Einer dieser Massnahmen sieht ein nationales Register vor(8). Damit waren die politischen Rahmenbedingungen für den Aufbau des Schweizer Registers für seltene Krankheiten (SRSK) gesetzt.
Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Ärzt:innen, Epidemiolog:innen, Datenwissenschaftler:innen und Betroffenen entwickelte in der Folge das Konzept für das nationale Register. Dieses wurde 2017 in einer breiten Vernehmlassung verschiedensten Akteuren im Gesundheitswesen vorgelegt und wurde von der kantonalen Ethikkommission Bern bewilligt (KEK BE- 2017-02313).
Das SRSK als Chance für Forschung und Gesundheitspolitik
Bevölkerungsbezogene Register für seltene Krankheiten sind unverzichtbar, um Forschung zu fördern, gesundheitspolitische Fragen zu beantworten und somit die Situation für Betroffene zu verbessern. Die Schweiz hat für die meisten seltenen Krankheiten kein individuelles Register. Die bestehenden Register sind auch kaum interoperabel, da unterschiedliche Datenelemente und -strukturen verwendet werden. Das verunmöglicht, Ressourcen zu bündeln und einen Überblick über seltene Krankheiten in der Schweiz zu gewinnen.
Das SRSK strebt eine möglichst vollständige und standardisierte Erfassung aller seltenen Krankheiten in der Schweiz an, welche die Interoperabilität mit nationalen und internationalen Registern sicherstellt. Auch bestehende Register zu seltenen Krankheiten können von den Strukturen des SRSK profitieren. Die breit gesteckten Ziele des SRSK und der modulare Aufbau bieten einen geeigneten Rahmen, um Forschung zu erleichtern und evidenzbasierte Entscheide in der Gesundheitspolitik zu treffen.
Das SRSK im Überblick
Die Schirmherrschaft über das SRSK hat die nationale Koordination seltene Krankheiten (kosek). Das SRSK ist als Konsortium organisiert mit Vertretern aller Universitätsspitäler und beteiligten Kantonsspitäler, der kosek, Orphanet und ProRaris – Allianz Seltener Krankheiten Schweiz.
Ein Patient:innenboard und weitere unterstützende Organe sind im Aufbau. Die Organisationsstruktur ist von der SRSK-Homepage abrufbar. Die SRSK-Datenbank befindet sich am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern bei SwissRDL, dem Kompetenzzentrum für medizinische Register.
Nutzen des SRSK
Ziel des SRSK ist es, genaue Daten über die Prävalenz seltener Krankheiten in der Schweiz zu liefern, die Qualität der Versorgung zu bewerten und Lücken in der Gesundheitsversorgung zu identifizieren. Es erleichtert Ärzt:innen nationale und internationale Forschung zu seltenen Krankheiten, indem es Patient:innen für epidemiologische und klinische Studien identifiziert. Mittels Umfragen kann es die Bedürfnisse von Betroffenen und die Anliegen der Ärzteschaft ermitteln. Dadurch kann das SRSK zur Verbesserung der Behandlung und Unterstützung von Menschen mit seltenen Krankheiten beitragen.
Welche Patient:innen werden registriert?
Das SRSK ist ein nationales Register für alle seltenen Krankheiten. Es strebt an, alle Personen mit einer bestätigten Diagnose oder einer starken Verdachtsdiagnose zu registrieren, die in der Schweiz wohnhaft sind oder hier behandelt werden. Es gibt keine Altersgrenze und die Registrierung ist freiwillig. Patient:innen können sich beim SRSK entweder durch ihre behandelnde Ärzt:in oder direkt selbst über das SRSK-Online-Portal anmelden (Abbildung 2).
Wie können Ärzt:innen Patient:innen melden?
Die Anmeldung von Patient:innen erfolgt in wenigen Schritten:
- Identifizierung: Die behandelnden Ärzt:innen identifizieren Betroffene mit seltenen Krankheiten.
- a. Es können neu und früher diagnostizierte Personen und Personen mit einer Verdachtsdiagnose eingeschlossen werden.
- b. Im Online-Portal Orphanet (www.orpha.net) kann geprüft werden, ob die Krankheit selten ist.
- ORPHA-Code: Das medizinische Fachpersonal (z.B. Ärzteschaft, medizinische Kodierer:in) ermittelt den ORPHA Code. Alle gültigen ORPHA-Codes sind auf Orphanet (www.orpha.net) gelistet.
- Information: Das medizinische Fachpersonal informiert die Betroffenen über das SRSK und holt die studienspezifische Einwilligungserklärung ein.
- a. Patienteninformation und Einwilligungserklärung (für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Eltern, gesetzliche Vertretung) können von der Homepage (www.raredisease.ch) heruntergeladen oder via E-Mail (srdr.ispm@unibe.ch) oder telefonisch (+41 31 687 48 87) angefordert werden.
- b. Betroffene können von den Kliniken und Ärzt:innen während einer regulären Konsultation oder auch brieflich informiert und eingeladen werden. Beispiele für Informationsbriefe können vom SRSK angefordert werden. Unterschriebene SRSK-Einwilligungserklärungen werden lokal in der jeweiligen Klinik aufbewahrt. Besteht diese Möglichkeit nicht, können sie durch sichere elektronische Datenübertragung an das SRSK übermittelt werden, z. B. durch Hochladen in die SRSK-Datenbank.
- Datenübermittlung: Das medizinische Fachpersonal übermittelt je nach Status der Einwilligung relevante Daten an das SRSK (siehe nächster Abschnitt).
Welche Daten werden im SRSK erfasst?
Der SRSK-Datensatz wurde anhand der Empfehlungen der European Platform on Rare Disease Registration (EU RD) entwickelt (https://eu-rd-platform.jrc.ec.europa.eu/set-of-common-data-elements_en). Für Patient:innen, die einer Registrierung beim SRSK zustimmen, enthält er einen Basisdatensatz mit persönlichen und medizinischen Informationen.
Basisdatensatz:
- Persönliche Informationen: Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Kontaktdaten der Person und gegebenenfalls der Eltern oder gesetzlichen Vertretung und Bestätigung, dass die Einwilligung vorliegt. Identifizierende Daten sind nötig, um zu einem späteren Zeitpunkt neue Informationen der richtigen Person zuzuordnen und um Betroffene zu Studien einzuladen oder über Ergebnisse zu informieren.
- Medizinische Informationen: Name der Krankheit, ORPHA-Code, Diagnose-Informationen, gegebenenfalls betroffene Gene und die Mutationen.
- Angaben zur behandelnden Ärzt:in oder Klinik.
- Angaben zu Teilnahme an anderen Registern (z.B. klinischem Register zu einer speziellen Krankheit).
Die Patient:innen können ihre Einwilligung jederzeit zurückziehen, indem sie dies dem SRSK oder ihrer behandelnden Ärzt:in mitteilen. In diesem Fall speichert das SRSK einen Minimaldatensatz mit den unten nachfolgend aufgeführten Informationen.
Minimaldatensatz:
- Persönliche Informationen: Geschlecht, Geburtsjahr, Bestätigung von Ablehnung oder Widerruf
- Medizinische Informationen: Name der Krankheit, ORPHA-Code, Diagnosejahr und Vitalstatus
- Angaben zu behandelnder Ärzt:in oder Klinik
Das SRSK möchte in Zukunft nicht nur Patient:innen registrieren, die zugestimmt haben, sondern auch diejenigen, die zwar nicht auf die Einladung ihres Spitals zur Teilnahme SRSK reagiert haben, aber eine allgemeine Einwilligung unterschrieben haben. Das SRSK registriert keine Daten von Patient:innen, die eine Teilnahme am SRSK aktiv ablehnen.
Die Datensätze können von Universitätsspitälern, Kantonsspitälern, kleineren Spitälern, Privatpraxen sowie von Betreibern krankheitsspezifischer Register übermittelt werden.
Nach der Anmeldung: Wie werden Daten übermittelt?
Es gibt zurzeit zwei Modalitäten, um Daten zu übermitteln, je nach Ressourcen der beteiligten Institutionen. Das Vorgehen ist wie folgt:
Automatischer Datentransfer:
Die IT-Verantwortlichen des Spitals passen die spitalinternen IT-Systeme an, damit der SRSK-Datensatz im Spital-Klinikinformationssystem (KIS) erfasst werden kann (z.B. braucht es ein Feld für den ORPHA-code und die Patienteneinwilligung). Dann programmieren sie einen Webservice, welcher den Datenfluss zwischen dem lokalen KIS und dem SRSK erlaubt. Die Datenübertragung erfolgt automatisch in regelmässigen Abständen über den Webservice direkt vom KIS zum SRSK. Dadurch wird ein kontinuierlicher Datentransfer gewährleistet.
Manuelle Eingabe der Daten:
Die Klinik oder Praxis beantragt per E-Mail die Zugangsrechte für die SRSK Online-Anwendung. Das SRSK prüft die Anfrage und eröffnet für die anfragende Institution einen eigenen Zugangsbereich. Nach vollständiger Eingabe werden die Daten per Mausklick an das SRSK übermittelt. Der Datenschutz ist gewährleistet, weil die eingebende Person ausschliesslich Einsicht und Zugriff auf Daten der eigenen Institution hat. Diese Methode ist vor allem für Kliniken und Praxen geeignet, die viele Patient:innen mit einer seltenen Krankheit betreuen. Bei Praxen mit nur wenigen Patient:innen versucht das SRSK, mit den Ärzt:innen einfachere Lösungen zu finden.
Obwohl das SRSK 2017 von der Ethikkommission des Kantons Bern als Forschungsprojekt bewilligt wurde, haben wir uns, um der grossen Zahl der beteiligten Kliniken und der vielen potenziellen Forschungsprojekten Rechnung zu tragen, dazu entschieden, die Struktur der Ethikbewilligung betreffend den Datentransfer anzupassen. Derzeit sind wir dabei, ein empfehlendes Gutachten (engl. Advisory Opinion; dt. Vorprüfung von Datenregister) der Schweizer Ethikkommissionen einzuholen. Dies ist derzeit die von swissethics empfohlene Vorgehensweise für nationale Register. Damit wird sichergestellt, dass die Datenschutzbestimmungen sowie alle rechtlichen und ethischen Anforderungen an die Datensammlung und -registrierung erfüllt werden. Die Datenübermittlung von den Spitälern an das Register, welche zurzeit gestoppt ist, wird nach Einholung eines Gutachtens der Ethikkommissionen wieder aufgenommen. Zwischenzeitlich können sich Personen mit einer seltenen Krankheit weiterhin direkt über das SRSK-Online-Portal selbst für das Register anmelden.
Selbstregistrierung durch Menschen, die mit einer seltenen Krankheit leben
Zurzeit ist eine Selbstregistrierung für Betroffene mit einem Papierformular möglich. Interessierte können sich direkt an die Mitarbeitenden des SRSK wenden. Alle Angaben werden in Zusammenarbeit mit der behandelnden Ärzt:in validiert und komplementiert.
Zusätzlich wurde ein Online-Portal entwickelt und wird Ende Sommer 2024 in Betrieb genommen. Damit können Menschen, die mit einer seltenen Krankheit leben, oder ihre Eltern bzw. weitere Erziehungsberechtigte/Beistände sich selbst oder ihr Kind/die verbeiständete Person direkt registrieren, nachdem sie Informationen über das SRSK erhalten und die SRSK-Einverständniserklärung unterzeichnet haben. In diesem Online-Portal werden die Teilnehmenden gebeten, ihre Daten, wie im zuvor beschriebenen Basisdatensatz beschrieben, einzugeben.
Durch die Möglichkeit der Selbstregistrierung können Menschen, die von einer seltenen Krankheit betroffen sind, sowie ihre Familien direkt zum Register beitragen, informiert bleiben und aktiv an der Forschung zu seltenen Krankheiten teilnehmen.
Die Forschungsmöglichkeiten mit dem SRSK
Der modulare Aufbau der SRSK-Datenbank
Der SRSK-Datensatz ermöglicht direkt die Beschreibung der Häufigkeit aller seltenen Krankheiten in der Schweiz. Zum Beispiel kann man mit Hilfe von ORPHA-Codes und Diagnosedatum die Inzidenz des «Schweren kombinierten Immundefektes (SCID)» berechnen und einen Überblick über Behandlungszentren gewinnen. Ein möglichst vollständiges Register wird genauere Prävalenzschätzungen ermöglichen. Daher ist die Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren, Kliniken und Praxen, die Menschen mit seltenen Krankheiten diagnostizieren und behandeln, wichtig.
Der modulare Aufbau der Datenbank ermöglicht auch die effiziente und kostengünstige Durchführung von verschiedenen weiterführenden Studien:
Datenverknüpfungen: Der Basisdatensatz kann mit vorhandenen Datensätzen aus amtlichen Statistiken oder Forschungsprojekten verknüpft und so auf kostengünstige Art erweitert werden(9). Einige Beispiele für mögliche Analysen des Schweizer Kinderkrebsregister, das solche Linkages schon seit Jahren durchführt:
- Eine Verknüpfung mit der Todesursachenstatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) ermöglicht Berechnungen der Überlebenszeit (Survival-Analysen)(10).
- Eine Verknüpfung mit sozioökonomischen Daten aus der Schweizer Nationalkohorte erlaubt die Untersuchung des Einflusses von sozioökonomischem Status auf die Überlebenswahrscheinlichkeit(11).
- Eine Verknüpfung (via Wohnadresse) mit Umweltexpositionen kann zum Beispiel den Einfluss von Luftverschmutzung auf Krankheitsinzidenz oder Verlauf untersuchen(12).
- Eine Verknüpfung mit den anthropometrischen Daten aus den KISs der Kinderkliniken würde die Untersuchung des Gewichtsverlaufs bei Kindern mit seltenen Krankheiten ermöglichen(13, 14).
Weiterführende Studien: Der Basisdatensatz kann auch durch Daten ergänzt werden, die routinemässig während regulären Konsultationen gesammelt wurden, wie zum Beispiel Lungenfunktionstests oder Hörtests(15, 16) , so dass Forschungsfragen zu bestimmten Krankheiten oder Krankheitsgruppen untersucht werden können. Das SRSK kann anhand bestimmter Einschlusskriterien (z.B. Diagnosen, Alter, Region) geeignete Patient:innen für weitere Studien identifizieren und einladen. Dies bietet Forschenden beispielsweise die Möglichkeit, durch Umfragen Daten zu Patient-Reported Outcomes (PRO) zu sammeln(17) oder eine klinische Studie mit neuen Medikamenten durchzuführen. Forschungsprojekte, die im SRSK eingebettet sind, benötigen in der Regel eine separate Ethikbewilligung.
FAIR Data
Daten aus dem SRSK werden nach dem Findable (Auffindbar), Accessible (Zugänglich), Interoperable (Interoperabel) und Reusable (Wiederverwendbar) kurz FAIR Prinzip für nationale und internationale Studien zugänglich gemacht(18). Es werden keine identifizierenden Daten weitergegeben. Um den Datenaustausch transparent und effizient zu gestalten, hat die kosek und der Lenkungsausschuss des SRSK, die Regeln und Prozesse des Datenzugangs und -austauschs definiert.
Wer Daten nutzen möchte, stellt eine Anfrage an das SRSK. Die Anfragen werden in Zusammenarbeit mit Expert:innen zu den entsprechenden seltenen Krankheiten und Betroffenen geprüft. Institutionen, welche dem SRSK Daten übermittelt haben, werden über eingehende Anträge von Dritten informiert.
Ausblick
Im Gegensatz zur Registrierung von Krebserkrankungen fehlt bisher eine gesetzliche Grundlage für die Registrierung von seltenen Krankheiten. Deshalb ist die Meldung von Patient:innen durch Ärzt:innen freiwillig. Ein Widerspruchsrecht, wie es bei Krebserkrankungen gesetzlich geregelt ist, würde die Registrierung massiv vereinfachen. Erfreulicherweise wurde 2022 die Motion 21.3978 «Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts Seltene Krankheiten» von Ständerat und Nationalrat angenommen. Der Bundesrat wird mit dieser Motion beauftragt, eine gesetzliche Grundlage für das nationale Konzept für seltene Krankheiten zu schaffen. Die kosek, Orphanet Schweiz, ProRaris und das SRSK arbeiten nun an einer gemeinsamen Strategie, um die Umsetzung der gesetzlichen Grundlage zu fördern.
Das Wichtigste für die Praxis
- Seltene Krankheiten sind in ihrer Summe häufig und bedürfen eines besonderen Augenmerks.
- Das SRSK ist eine Forschungsplattform für seltene Krankheiten in der Schweiz und dient als zentrale Anlaufstelle für Ärzt:innen, Forschende, Betroffene, Behörden und Politiker:innen.
- Orphanet ist eine wichtige Informationsquelle zu seltenen Krankheiten (www.orpha.net), die regelmässig aktualisiert wird.
Eine gesetzliche Grundlage für seltene Krankheiten ist dringlich und sollte gezielt und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Patient:innen ausgearbeitet werden.
Verdankung
Wir danken den Mitarbeitenden der beteiligten Universitätsspitäler, Kantonsspitäler, Zentren für seltene Krankheiten und Referenzzentren für die konstruktive Mitarbeit. Wir danken Chantal Kuske und Lara Hostettler, Mitarbeiterinnen des SRSK, für Ihre Arbeit und Unterstützung des SRSK. Ebenso danken wir den Mitarbeiter:innen von kosek, ProRaris und Orphanet welche hier nicht als Autor:innen genannt sind und den Betroffenen, die das Register unterstützt haben.
Korrespondenz
Schweizer Register für Seltene Krankheiten
Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern
Mittelstrasse 43
3012 Bern
Schweiz
041 31 687 48 87
Author Contribution
C. Kuehni und M. Baumgartner entwickelten das Konzept des Registers. C. von Arx leitet das Register. A. Tscherter, M. Fux, M. Goutaki und N. Bayard haben das Manuskript verfasst. Alle Autoren haben das Manuskript kommentiert und kritisch überarbeitet. C. Kuehni und M. Baumgartner tragen die endgültige Verantwortung für den Inhalt.
Referenzen
- Moliner AM, Waligora J. Chapter 30 The European Union Policy in the Field of Rare Diseases. In: Rare Diseases Epidemiology: Update and Overview; 2017. p. 561-587.
- Barben JP, Pedersen ESL, Berger D, Rueegg CS, Sanz J, Sluka, et al. Zehn Jahre Neugeborenen-Screening auf zystische Fibrose in der Schweiz. Swiss Medical Forum 2023;23(05):871-874.
- Wakap SN, Lambert DM, Olry A, Rodwell C, Gueydan C, Lanneau V, et al. Estimating cumulative point prevalence of rare diseases: analysis of the Orphanet database. European Journal of Human Genetics 2020;28(2):165-173.
- Bochud M PF. Estimating the prevelance and the burden of rare disease in Switzerland: a short repoert. Institute of Social and Preventive Medicine 2014.
- Goutaki M, Eich MO, Halbeisen FS, Barben J, Casaulta C, Clarenbach C, et al. The Swiss Primary Ciliary Dyskinesia registry: objectives, methods and first results. Swiss Med Wkly. 2019 Jan 13;149:w20004.
- Botto M, Kirschfink M, Macor P, Pickering MC, Würzner R, Tedesco F. Complement in human diseases: Lessons from complement deficiencies. Molecular Immunology 2009;46(14):2774-83.
- Mercuri E, Bonnemann CG, Muntoni F. Muscular dystrophies. Lancet 2019;394(10213):2025-2038.
- Switzerland TFO. Nationales Konzept Seltene Krankheiten; 2014.
- Skrivankova V, Zwahlen M, Adams M, Low N, Kuehni C, Egger M. Spatial epidemiology of gestational age and birth weight in Switzerland: census-based linkage study. BMJ Open. 2019;9(10):e027834.
- Schindler M, Belle FN, Grotzer MA, von der Weid NX, Kuehni CE. Childhood cancer survival in Switzerland (1976-2013): Time-trends and predictors. Int J Cancer. 2017;140(1):62-74.
- Adam M, Rueegg CS, Schmidlin K, Spoerri A, Niggli F, Grotzer M, et al. Socioeconomic disparities in childhood cancer survival in Switzerland. Int J Cancer. 2016;138(12):2856-2866.
- Spycher BD, Feller M, Röösli M, Ammann RA, Diezi M, Egger M, et al. Childhood cancer and residential exposure to highways: a nationwide cohort study. Eur J Epidemiol. 2015;30(12):1263-1275.
- Belle FN, Wenke-Zobler J, Cignacco E, Spycher BD, Ammann RA, Kuehni CE, et al. Overweight in childhood cancer patients at diagnosis and throughout therapy: A multicentre cohort study. Clin Nutr 2019;38(2):835-841.
- Jaboyedoff M, Rakic M, Bachmann S, Berger C, Diezi M, Fuchs O, et al. SwissPedData: Standardising hospital records for the benefit of paediatric research. Swiss Med Wkly. 2021;151:w30069.
- Otth M, Yammine S, Usemann J, Latzin P, Mader L, Spycher B, et al. Longitudinal lung function in childhood cancer survivors after hematopoietic stem cell transplantation. Bone Marrow Transplant. 2022;57(2):207-214.
- Strebel S, Mader L, Sláma T, Waespe N, Weiss A, Parfitt R, et al. Severity of hearing loss after platinum chemotherapy in childhood cancer survivors. Pediatr Blood Cancer. 2022;69(9):e29755.
- Henzi BC, Baumann D, Erni SJ, Lötscher N, Tscherter A, Klein A. Effects of the COVID-19 Pandemic on Access to Education and Social Participation in Children and Adolescents with Duchenne Muscular Dystrophy in Switzerland. Neuropediatrics 2023; 54(04): 287-291
- Sinaci AA, Núñez-Benjumea FJ, Gencturk M, Jauer ML, Deserno T, Chronaki C, et al. From Raw Data to FAIR Data: The FAIRification Workflow for Health Research. Methods Inf Med. 2020;59(S 01):e21-e32.