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Ambulante Pädiatrische Palliative Care – Ein praktischer Leitfaden für Schweizer Praxispädiater:innen, Kinderspitexen, Kinderhospize und Langzeitinstitutionen

Palliativmedizin

Als praktischer Leitfaden in der ambulanten Betreuung von Kindern mit potenziell lebensverkürzenden Krankheiten und ihren Familien dient dieser Artikel dem Wissenszuwachs sowie Kennenlernen von Ressourcen und Angeboten der pädiatrische Palliative Care, damit der Aufbau eines tragenden Betreuungsnetzes für die Familie gelingt. Durch das Wissen um die möglichen Angebote können Synergien und Ressourcen unter den Leistungserbringern besser genutzt werden.

Einführung

Die ambulante Betreuung von Kindern mit einer potenziell lebensverkürzenden Krankheit, nimmt in der pädiatrischen Palliative Care (PPC) eine zentrale Rolle ein. Im Gegensatz zum Spital bietet die Betreuung zu Hause der Familie die häusliche Vertrautheit und Geborgenheit. Es ist der Ort, an welchem betroffene Kinder und ihre Familien möglichst viel Lebenszeit verbringen möchten. Das Familienleben geht weiter und gesunde Geschwisterkinder können im Grossen und Ganzen ihren Alltag leben. Gleichzeitig bedeutet die oft komplexe Betreuung des Kindes im häuslichen Setting für Eltern eine grosse Herausforderung, erfordert viel Flexibilität aller Familienmitglieder und führt nicht selten zu Überlastungssituationen.

Eine umfassende ambulante pädiatrische Palliativversorgung beinhaltet sowohl eine kompetente ärztliche und pflegerische Versorgung, wie auch die psychosoziale sowie spirituelle Unterstützung und Entlastung der Eltern in der Betreuung, damit die Funktionalität des Familiensystems erhalten werden kann. Ebenso basiert sie auf einer guten Zusammenarbeit aller beteiligten Fach- und Betreuungspersonen und erfordert flexible Übergänge der Versorgungssettings. Zahlreiche Schulen, heilpädagogische-, sozialmedizinische- und Langzeitinstitutionen sowie Kindertagesstätten gewährleisten eine zentrale Aufgabe im pädagogischen Bereich aber auch in der Pflege und Betreuung. Sie sind wichtige Leistungserbringer im palliativen Versorgungssystem und auf eine gute Zusammenarbeit mit den Fach- und Betreuungspersonen angewiesen.

Weiter schliesst sich durch die Eröffnung der ersten Kinderhospize eine Versorgungslücke, da diese eine Brücke zwischen der häuslichen und der Spitalversorgung(1) ermöglichen.

Palliative Care bei Kindern und Jugendlichen bedeutet weit mehr als eine Betreuung am Lebensende – sie umfasst die Begleitung mitten im Leben, oft über viele Jahre hinweg. Aufgrund der vielfältigen Diagnosen, oft langen, variablen Krankheitsverläufen und schwer voraussagbaren Prognosen, leitet sich eine Indikation viel mehr aus dem Krankheitsverlauf und den sich daraus ergebenden Bedürfnissen ab und weniger aus der Diagnose per se. Mit dem ganzheitlichen Betreuungsansatz und dem Blick auf die Lebensqualität des Kindes bzw. Jugendlichen und der ganzen Familie, ist es sinnvoll Palliative Care frühzeitig in die Betreuung zu integrieren, damit der Mehrwert für die Familien und die Betreuungsteams zum Tragen kommt.

Situation der ambulanten pädiatrischen Palliativmedizin in der Schweiz

Die PPC steckt in der Schweiz – im Vergleich zu unseren Nachbarländern – weiterhin in den Kinderschuhen. In der Schweiz haben ca. 10’000 Kinder und Jugendliche einen Bedarf an palliativer Begleitung(2) und es gibt ca. 450 Todesfälle von Kindern und Jugendlichen pro Jahr (inkl. perinatale Komplikationen und Unfälle). Davon sterben hierzulande nur 17% zu Hause – obwohl sich Familien und Patienten diese Option häufig wünschen(3). Laut dem Rahmenkonzept der Schweiz, entspricht PPC einer spezialisierten Versorgung. Trotzdem erhalten in der Schweiz nur etwa 10% der Kinder und Jugendlichen mit potenziellem Bedarf eine spezialisierte Palliative Care(4). Ein strukturell eigenständiger mobiler spezialisierter Palliativdienst, wie in der Erwachsenen-Palliative Care bekannt, ist aufgrund niedriger Fallzahlen in der Pädiatrie nicht zielführend. Stattdessen wäre ein spezialisiertes Team, das die Versorgung sowohl im Spital als auch ambulant sicherstellt, in der Lage, eine Kontinuität in der Betreuung und flexible Übergänge zwischen den Betreuungsorten zu gewährleisten. Dies in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kinderärzt:innen und den vorhandenen örtlichen Angeboten. Die meisten Kinderspitäler verfügen über ein spezialisiertes pädiatrisches Palliative Care Angebot, jedoch sind die Strukturen für eine vollumfänglich stationäre sowie ambulante spezialisierte Versorgung weiterhin lückenhaft und werden nur durch einzelne wenige Zentren sichergestellt. Diese Zentren fungieren als PPC-Netzwerkstützpunkt und unterstützen Kinderärzt:innen, Kinderspitexen, Institutionen und Familien rund um die Uhr.

Niedergelassene Kinderärzt:innen übernehmen in der Betreuung von Kindern mit potenziell lebensverkürzenden Erkrankungen und ihren Familien eine wichtige Funktion. Sie betreuen ihre Patient:innen meist über viele Jahre und haben oft eine vertrauensvolle Beziehung zu ihnen und ihren Familien aufgebaut.

Das Spektrum der pädiatrischen Palliativversorgung (PPC) ist gross und umfasst folgende fünf Gruppen:

  • Ungeborene, Neugeborene und Säuglinge mit Fehlbildungen oder Geburtskomplikationen
  • Patienten mit primär heilbaren Erkrankungen (z.B. Herzfehler, Krebserkrankungen)
  • Patienten mit einer eingeschränkten Lebenserwartung (z.B. nicht korrigierbare Herzfehler, zystische Fibrose)
  • Patienten mit progredient verlaufenden Erkrankungen (z.B. Stoffwechselerkrankungen, Muskeldystrophie)
  • Patienten mit unheilbaren Krankheiten und schweren Behinderungen (z.B. Cerebralparesen, Mehrfachbehinderungen nach Unfällen)

Eine palliative Begleitung beginnt teilweise bei Diagnosestellung, häufig aber wenn der Gesundheitszustand eines Kindes/Jugendlichen zunehmend instabil wird und zu hohen Anforderungen im Bereich Pflege und Betreuung führt. Die Verbesserung der Lebensqualität des Kindes/Jugendlichen erhält dann die höchste Priorität und der Gedanke der Krisenintervention gewinnt an Bedeutung.

Teilweise übernehmen Kinderärzt:innen bei diesen Familien Aufgaben eines ambulanten Case Managements. Die Spezialsprechstunden im Spital decken die Bedürfnisse der PatientInnen und ihren Familien häufig nur ungenügend ab und Case Manager für komplex-chronisch kranke Kinder gibt es bisher nur in wenigen Spitälern. Neben der medizinischen Versorgung bestehen zu Hause offene Fragen und ein Informationsbedarf zu Themen wie dem Betreuungsurlaub, Sozialversicherungen, der IV oder Krankenkasse und ihren Leistungen, einem Rechtsbeistand, Entlastungsangeboten und vielem mehr. Das Case Management sowie eine definierte Fallführung sind essenziell und bedeutet für die Familien mit ihren Kindern Entlastung im strengen Alltag und somit mehr Lebensqualität. Ob diese Fallführung vom Zentrumsspital mit einem pädiatrischen Palliative Care Netzwerkstützpunkt (mit 24/7 Erreichbarkeit) sichergestellt wird, welches die beste Basis wäre, um Kinderärzt:innen in der Praxis gut zu unterstützen, hängt zur Zeit noch vom jeweiligen Wohnort der Familien ab. Eine gut koordinierte Absprache unter den einzelnen Playern erleichtert die Zusammenarbeit sehr. Ein hilfreiches Instrument hierfür ist der Betreuungsplan, der die Zuständigkeiten definiert und regelmässig an die aktuelle Situation angepasst werden kann.

Leitfaden für die ambulante pädiatrische Palliative Care

Folgende Inputs vermitteln einen Überblick und Anregungen, woran es in einer palliativen Betreuungssituation zu denken gilt und zeigen bestehende Angebote auf. Sie sind inhaltlich nicht abschliessend und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Basis im ambulanten Setting

  1. Im achtsamen und respektvollen Umgang mit den betroffenen Patienten und Familien entsteht eine tragfähige Basis.
    • Grundsatz: „High person, low technology“ – der Mensch steht mit seiner Lebensqualität im Vordergrund.
  2. Nicht alles muss gesagt werden, aber alles, was gesagt wird, muss wahrhaftig sein.
    • Ruhige, ungestörte Orte für Gespräche mit den Eltern, den Patienten, den Geschwistern finden und den richtigen Moment abwarten.
    • Pausen im Gespräch sind wichtige Elemente der Reflexion – für beide Seiten.
    • Achten auf die nonverbalen Signale und die Emotionen des Gegenübers.
    • Empathie und Mitgefühl – ohne mitzuleiden.
    • Das SPIKES-Modell kann für Gespräche als Grundlage dienen:
      • S – Setting up the Interview
      • P – Assessing Patient’s (Parents) Perception
      • I – Obtaining the Patient’s (Parents) Invitation
      • K – Giving Knowledge and Information
      • E – Addressing the Patient’s (Parents) Emotions
      • S – Providing Strategy and Summary
  3. Einschätzen des Bedarfs der spezialisierten Palliative Care mittels PaPaS Scale und/oder START-Fragebogens. http://gesundheitskompass.ch/download
  4. Zusammenarbeit mit zuständigen spezialisierten pädiatrischen Palliative Care Teams.
    • Abklären, welche Leistungen im ambulanten Setting übernommen werden können.
  5. Die Erstellung eines Betreuungsplans ist hilfreich und sinnvoll, um alle an der Betreuung Beteiligten zu kennen und erreichen zu können.
    • Aufgaben können leichter den jeweiligen „Rollenträgern“ zugesprochen werden, und es lassen sich klar definierte gemeinsame Behandlungsziele formulieren.
    • Klärung der Erreichbarkeit des Betreuungsteams mit der Familie.
    • Nach der Erstellung regelmässig überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
  6. Klärung der Rollenverteilung bzw. Verantwortlichkeiten zwischen den Personen auf dem
    Betreuungsplan.
    • Festlegung, wer das Case Management übernimmt. Zum Beispiel ärztlicherseits: Was übernehmen Spezialisten im Spital und was die Kinder- und Jugendärzte vor Ort? Ziel ist eine prägnante, zielorientierte und realistisch umsetzbare Kommunikation.
    • Stehen spezialisierte Palliativfachkolleg:innen im Spital 24 Stunden zur Verfügung? Falls nein, Klärung, an wen man sich wenden kann.
    • Stehen die fallführenden Konsiliarärzt:innen im Spital bei Fragen 24 Stunden zur Verfügung? Falls nein, Klärung, an wen man sich wenden kann.
  7. Falls indiziert und bisher noch nicht geschehen: Einbezug eines spezialisierten ambulanten pädiatrischen Pflegedienstes (Kinderspitex, Stiftung Joel, KiFa, etc.).
    • Pflegen eines engen Austauschs mit der Bezugspflegenden.
  8. Kontrolle und Linderung von Symptomen nach klinischem Assessment.
    • Am stärksten belasten Schmerzen und/oder Atemnot – daher oberste Priorität.
    • Weitere Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Obstipation, Schlafstörungen, epileptische Anfälle, Mundtrockenheit, etc.
  9. Verordnung notwendiger Medikamente in Absprache mit den Spezialisten.
    • Individuelle Basistherapie (z.B. kardiologisch, epileptologisch, etc.).
    • Supportiv (Analgetika, Antiemetika, Benzodiazepine, Steroide, Antidepressiva, Neuroleptika, Antiepileptika, etc.).
    • Berücksichtigung der Interaktionen und Nebenwirkungen.
  10. Beschaffung von Hilfsmitteln u.a.
    • Pflegerisch (z.B. Inkontinenzprodukte, Magensonden, Lagerungskissen, Trachealkanülen u.v.m.).
    • Mobilität und Interaktion (z.B. Orthesen, Rollstuhl, Autositze, Hilfsmittel zur Kommunikation u.a.).
    • Ernährung (z.B. Sondomat, Zusammenstellung der optimalen Ernährung/Kalorienzufuhr).
    • Bücher (für Patient:in, Geschwister, Eltern).
  11. Strukturierung notwendiger Therapiemassnahmen.
    • Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, heilpädagogische Frühförderung, Hippotherapie, Kunsttherapie, psychologische Begleitung u.a.
    • Oft ist weniger mehr.
    • Genügend Zeitfenster „zum einfach sein“ berücksichtigen.
  12. Spiritual Care.
    • Schaffung einer sinnstiftenden Basis.
    • Wie sieht der Lebensentwurf der Eltern, des Kindes/Jugendlichen aus?
      • Darauf achten, dass das Kind/der Jugendliche (oder die Geschwister) nicht unbewusst die Verantwortung für die Eltern übernimmt.
    • Wie stellen sie sich die Begleitung, den Weg, vor?
    • Religiosität als tragendes Element.
      • Einbezug des Pfarrers, Gebete, Kommunion.
    • Rituale als lebendiger Anker.
    • Je nach Situation Gespräche über das Leben, das Sterben und das Leben danach.
    • Was möchte das Kind/der Jugendliche noch erleben?
      • Das kann gerade bei Jugendlichen teils besondere Ausmasse annehmen.
    • Wen möchte er/sie noch sehen?
    • Was möchten die Eltern/Geschwister noch mit ihm/ihr erleben?
      • Dazu könnte auch eine Auslandsreise gehören, je nach Gesundheitszustand, die dann eine gute ärztliche Vorbereitung (Sondenkost, Hilfsmittel, Information des Spitals im Ausland, Flugbegleitung) erfordert.
  13. Einbezug der Schule bei Schulkindern, Vorbereitung mittels Rundtischgesprächen.
    • Information in enger Absprache mit den Eltern (Schweigepflicht!).
      • Information der Schulleitung.
      • Der Lehrpersonen, der Schulsozialarbeit, des schulpsychologischen Dienstes.
      • Vorbereitung und Information der Klasse (durch wen?).
    • Gestaltung des weiteren Schulbesuchs.
      • Barrierefreier Zugang zum Klassenzimmer?
      • Begleitung durch wen?
      • Anschliessend Besprechung mit der Klasse.
    • Einbezug der Schule in die Gestaltung des Gottesdienstes, der Trauerbegleitung.
  14. Überprüfung der „finanziellen Situation“ der Familie.
    • Besteht eine IV-Leistungspflicht (überprüfen ist sinnvoll!)?
      • Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag, Assistenzbeitrag, Betreuungsurlaub.
    • Gibt es Zusatzversicherungen?
    • Ist die Sozialhilfe involviert?
    • Welcher Sozialarbeiter ist involviert oder soll beigezogen werden für:
      • Die Kontakte zu den Arbeitgebern der Eltern (Reduktion des Arbeitspensums, Krankschreibung, etc.).
      • Den Einbezug von Stiftungen oder Organisationen (z.B. bei Geldmangel für die Bestattungskosten).
      • Andere Fragestellungen.

Die zusätzlichen Säulen in der ambulanten pädiatrischen Palliative Care

  1. Begleitung von Geschwisterkindern durch ehrenamtliche Helfer, Organisationen wie der Verein für Geschwisterkinder „Dubistdran“, Kinderbücher, Figurenspieltherapeut:innen, tiergestützte Therapien, Psycholog:innen, Schulsozialarbeiter:innen u.a. – je nach Kind/Alter sind die Bedürfnisse unterschiedlich.
    • Leider werden Geschwisterkinder in der palliativen Begleitung oft „stiefmütterlich“ behandelt. Dabei ist ihre seelisch-psychische Gesundheit essentiell für ihr weiteres Leben (siehe Abbildung 1).
  2. Organisation weiterer Entlastungsdienste und/oder ehrenamtlicher Helfer:innen:
    • Zum Beispiel von Pro Pallium, Pro Infirmis, insieme, Schweizerisches Rotes Kreuz, Stiftung Aladdin u.a.
    • Diese Organisationen und Helfer:innen werden oft zu einer wichtigen Stütze für die Eltern. Sie entlasten bei der Betreuung von Geschwistern, helfen bei der Administration (Pro Infirmis), sind für das erkrankte Kind/den Jugendlichen da, ohne pflegerische Aufgaben zu übernehmen, und erhalten somit oft einen positiven Glanz im Leben
      der Eltern. Manche dieser Freiwilligen haben zusätzlich eine Ausbildung zum Gesundheitsclown, wodurch der Humor Leichtigkeit in den oft schweren Alltag bringt. Schön ist auch der Einbezug von musiktherapeutischen Elementen (siehe Abbildung 1).
  3. Ermöglichen von Ferienaufenthalten (z.B. in Davos via Stiftung Kinderhospiz Schweiz) oder
    Unterstützungsaufenthalten für die ganze Familie im Kinderhospiz (seit Sommer 2024 allani Bern und Ende 2025 Flamingo, Zürich).
  4. Kontakt zum Hausarzt bzw. zur Hausärztin der Eltern aufnehmen:
    • Wegen allenfalls psychologischer Begleitung, ambulanter psychologischer Spitex oder einer Haushaltshilfe.
    • Oft kennen die Kollegen die Eltern bereits länger und können im gesamten Setting unterstützend zur Seite stehen.
  5. Anfordern eines Parkausweises für Behinderte.
    • Etwas Kleines, was viel Entlastung bringt.
  6. Erinnerungen schaffen.
    • Anmeldung bei der Stiftung Sternschnuppe, Stiftung Wunderlampe oder Make-A-Wish zur Erfüllung des Herzenswunsches (siehe Abbildung 1).
      • Träume werden wahr! Mehr braucht man nicht zu sagen.
    • Organisation Herzensbilder für Fotoaufnahmen kontaktieren (siehe Abbildung 1). Wunderschöne Erinnerungen! Trotz der Traurigkeit der Endlichkeit gelingt es dem Team, einen Zauber zu schaffen und die Familien mit Freude zu erfüllen.
  7. Implementierung komplementärer Behandlungsmethoden bei unerwünschten Begleiterscheinungen.
    • Gerade die Integrative Pädiatrie bietet diesen Kindern und ihren Familien enorm viel. Für viele Befindlichkeitsstörungen (Aufstossen, Verdauungsprobleme bei Sondenkost, Schlafstörungen, Unruhe, Ängste, Schwitzen, etc.) gibt es gute und belegte Wirkungen durch die T & CM (Traditional & Complementary Medicine). Oft können diese Methoden durch Familienmitglieder beim Patienten angewendet werden, wodurch das Gefühl der Hilflosigkeit bei Angehörigen reduziert wird. Sie werden aktive, positiv unterstützende Mitwirkende und bleiben trotzdem Eltern/Geschwister.
  8. Rettungsdienst vor Ort informieren (nach Einverständnis der Eltern).
    • Es ist sinnvoll, das Team mit einzubeziehen und ihnen den Betreuungsplan zuzustellen, insbesondere wenn ein Abschied zu Hause angedacht ist.
  9. Information über den Ablauf nach dem Versterben des Kindes/Jugendlichen und über die möglichen Formen der Bestattung und ihrer Variationen (siehe Abbildung 1).
  10. Trauerbegleitung und Begleitung über den Tod hinaus.
    • Dies ist ein (nicht finanziertes) Kernelement der Palliative Care und ungemein wichtig. Immer wieder fühlen sich Eltern „verwaist“, wenn das Kind nicht mehr da ist und auch alle anderen involvierten Dienste „wegfallen“. An die Bekanntmachung von Elterngruppen und Angeboten für Geschwister denken, die von manchen Kinderspitälern und Organisationen mit psychologischer Begleitung angeboten werden. Auch die Kinderhospize werden diesbezüglich zukünftig Möglichkeiten anbieten.

Schlussworte

Die Betreuung von komplex-kranken Kindern und Jugendlichen im stationären und ambulanten Setting fliessen ineinander über und die Durchlässigkeit der multiprofessionellen Zusammenarbeit ist essentiell. Der Aufbau tragfähiger Betreuungsnetzwerke und das gegenseitige Nutzen von Synergien und Ressourcen ist hilfreich, da Palliative Care zu Hause eine komplexe medizinisch-pflegerische Begleitung darstellt, die in einem äusserst intimen Rahmen stattfindet. Die professionellen Care-Givers sind immer Besucher im Zuhause der Familien. Wir legen, gerade auf diesem letzten Wegstück, Zeugnis vom Versterben des Kindes ab und tauchen damit in einen Familienraum ein, der bewusste Gestaltung verlangt. Denn nur wenn es uns gelingt, die Familien mit Empathie und Mitgefühl zu begleiten, können wir auch uns selbst das, was mit Palliare – Ummanteln gemeint ist, zukommen lassen. Durch Selbstfürsorge können wir unsere eigene innere Balance halten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um uns in unserer Fachexpertise und Professionalität einzubringen und dennoch berührbar in unserer Menschlichkeit zu bleiben. Denn wir sind immer im Kern auch als Mitmensch in diesen anspruchsvollen Situationen und darin liegt die Kraft unserer eigenen Resilienz. Tragen wir Sorge – zu den Familien und zu uns – und ermöglichen so zunehmend pädiatrisch palliative Pflege zu Hause.

Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Václav Havel


Kinderspitex – zentraler Grundpfeiler in der ambulanten Palliative Versorgung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien

Die Kinderspitex-Organisationen der Schweiz sind heterogen organisiert. Abhängig vom Standort und der Verfügbarkeit von PPC-Spezialist:innen in der Nähe kann zu Hause spezialisierte PPC bis zum Versterben der Kinder und darüber hinaus angeboten werden.

Die Pflegefachpersonen übernehmen die Grundversorgung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen sowie spezialisierte PPC-Pflege zu Hause. Voraussetzung dafür sind Pflegefachpersonen mit hoher Fachkompetenz, guten kommunikativen Fähigkeiten, sowie die gute Zusammenarbeit mit anderen Professionen. Die Pflegefachpersonen begleiten Familien oft über Jahre hinweg und erkennen, wenn sich der Krankheitsverlauf des Kindes verändert. Dann kann das professionelle Team der PPC hinzugezogen werden.  Die Pflege zu Hause erfordert von den Fachpersonen grosse Flexibilität und ihr Fachwissen muss ständig erweitert werden.  Durch eine gute Zusammenarbeit mit den Spezialist:innen der PPC ist die Versorgung medizinisch hochkomplexer und medizinaltechnisch anspruchsvoller Pflegesituationen zu Hause bis zum Versterben des Kindes möglich. Die betroffenen Kinder und ihre Eltern haben den Wunsch, möglichst viel Zeit zu Hause zu verbringen. Es wäre ideal, wenn eine Rufbereitschaft oder Anwesenheit rund um die Uhr in Absprache mit der Kinderspitex, Pädiater:innen, Familien und PPC-Team des Kinderspitals möglich wäre. Dies ist in einige Regionen der Schweiz aber leider nicht flächendeckend verfügbar. So wären in Krisensituationen die Pflegenden rasch vor Ort und können Ruhe und Fachkompetenz vermitteln. Die betreuenden PPC-Fachärzte wären telefonisch erreichbar und könnten bei veränderten Symptomen Anpassungen im Betreuungsplan vornehmen. Auch Hausbesuche des interprofessionellen Teams gehören bei einigen Kinderspitex-Organisationen zum Konzept der PPC(5). Eine enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kinderärzt:innen hat sich bewährt, insbesondere, wenn keine Spezialist:innen PPC zur Verfügung stehen.

Auf der englischen Webseite «Together for Short Lives» (2024) finden sich zusammengefasst folgende Punkte für den «Hospizservice» für Kinder, was sich auch auf die Kinderspitex-Organisationen übertragen lässt(6) und die ideale Betreuung darstellt:

  • 24-Stunden-Zugang zur Notfallversorgung
  • Spezialisierte Kurzzeitpflege
  • 24-Stunden-Telefonunterstützung
  • Praktische Hilfe, Ratschläge und Informationen
  • Bereitstellung von speziellen Therapien, einschliesslich Physiotherapie, Spiel- und Musiktherapie
  • Bereitstellung von Informationen, Unterstützung, Ausbildung und Training für Pflegekräfte, wo nötig
  • Trauerbegleitung der Familien
  • Training von pflegenden Angehörigen

Gemeinsam mit den Eltern, dem Kind und weiteren involvierten Fachpersonen wird vor dem Spitalaustritt ein detaillierter Betreuungsplan, inklusive Notfallszenarien mit allen Ansprechpersonen, sowie zusätzlichem Medikamentenplan erstellt. Durch eine vorausschauende Planung kann in Notfallsituationen angemessen gehandelt werden. Die Konsensfindung der Behandlung basiert auf den Werten und Wünschen des Kindes und seiner Eltern, immer mit dem Fokus auf das Kindeswohl.

Die Organisation des Materials, der Medikamente und der Hilfsmittel für das betroffene Kind wird häufig durch die Kinderspitex-Organisationen übernommen.

Höchste Priorität haben die Bedürfnisse der Familien, damit sie die Lebenszeit ihres erkrankten Kindes so gestalten können, wie sie es sich erhoffen. Es gibt Familien, die sehr viel Präsenz und Unterstützung benötigen und es gibt Familien, die möglichst ungestört die Zeit mit ihrem Kind an seinem Lebensende verbringen möchten, aber sich dennoch für Notfälle eine Fachperson zeitnah zu Hause wünschen. Geschwister und Angehörige werden in den Prozess der Begleitung nach Möglichkeit eingebunden.

Die Pflegefachpersonen sind zu Hause sehr nahe in die Situation involviert und nehmen die Anliegen, Fragen, Wünsche oder auch Sorgen der Familien wahr. Durch Koordination der Kinderspitex-Organisationen werden andere Professionen beigezogen wie Sozialdienste, Seelsorge oder Freiwilligenorganisationen wie Pro Pallium und Stiftung Sternschnuppe, um ein tragfähiges Unterstützungsnetz aufzubauen.

Vor oder nach dem Tod des Kindes werden die Familien auf Wunsch unterstützt bei der Pflege des verstorbenen Kindes, administrativen Fragen sowie Organisation der Bestattung. Besuche durch die Pflegenden bei den «verwaisten Eltern» finden auf Wunsch in der folgenden Zeit statt.

Die meisten Kinderspitex-Organisationen verfügen über Palliative Care Konzepte, sind untereinander vernetzt und auch über das Netzwerk PPC der Schweiz (PPCN CH) miteinander verbunden, mit dem Ziel, Wissen und Erfahrungen zu teilen und sich zu unterstützen.

Die Finanzierung der Einsätze erfolgt durch die IV oder KK gemäss kantonalen Tarifverträgen. Die Nachbetreuung wird immer über Spenden finanziert.


Kinderhospize in der Schweiz – eine Ergänzung in der Pädiatrischen Palliative Care

Ein Kinderhospiz ist ein Rückzugsort, ein Ort der Lebensqualität für Kinder und Jugendliche mit einer potenziell lebensverkürzenden Erkrankung sowie ihrer Bezugspersonen und Geschwister. Die betroffene Familie ist mehrmals im Jahr für einen Aufenthalt willkommen, um Kräfte zu sammeln und durch neue Impulse gestärkt in den fordernden Alltag zurückzukehren. Kinderhospize bieten Raum, Zeit und qualitativ hochstehende pflegerische, medizinische, psychosoziale und spirituelle Unterstützung sowie verschiedene Therapien. Die Kinderhospizarbeit legt dabei grossen Wert auf die Unterstützung und Stärkung der Bezugspersonen und Geschwister. Betroffene haben unabhängig von ihren finanziellen Mitteln Zugang zu den Leistungen. Das allani Kinderhospiz Bern eröffnete im Sommer 2024 und das Flamingo Kinderhospiz Zürich Ende 2025. Die Kinderhospize sind sowohl religiös als auch politisch neutral.

Pädiatrische Palliative Care im Kinderhospiz

Im Kinderhospiz sind Betroffene von 0 bis 18 Jahren ab Diagnosestellung einer lebensverkürzenden Erkrankung mehrmals pro Jahr für zeitlich begrenzte Aufenthalte und in der letzten Lebensphase willkommen. Sie und ihre Familien werden ganzheitlich begleitet, sowohl in komplexen Situationen als auch über den Tod hinaus(7).  Erfahrene Pflegefachpersonen mit einer Zusatzausbildung und/oder Erfahrung in Pädiatrischer Palliative Care leisten im 24/7 Betrieb eine professionelle und familienzentrierte Pflege. Spezialisierte Mediziner der Pädiatrischen Palliative Care sind in einem Teilpensum im Kinderhospiz tätig. Je nach Standort und Situation wird der medizinische Notfall- und Hintergrunddienst über das naheliegende Kinderspital oder die lokalen Pädiater gewährleistet. Es besteht je nach Bedarf ein Angebot an Physio- und Ergotherapie. Die Anmeldung im Kinderhospiz erfolgt durch die Familie selbst, die niedergelassenen Pädiater:innen, die Kinderspitex oder das PPC-Team eines Kinderspitals. Wenn noch kein PPC-Betreuungsplan vorhanden ist, wird dieser während des Aufenthaltes erstellt.

Die Leistungsverrechnung ist nach Kanton und Betriebsbewilligung verschieden. Aktuell bestehen in der Schweiz weder eine Leistungsstruktur noch ein Leistungsauftrag für Kinderhospize. Entsprechend kann nur ein Bruchteil der Leistungen über die Spitextarife oder Tagespauschalen Pflegeheim abgerechnet werden, sodass Spenden zum Tragen kommen.

Kinderhospizarbeit

In der Kinderhospizarbeit geht es darum, die Familien ganzheitlich allumfassend zu begleiten. Die Lebensqualität steht im Vordergrund. Geschwister dürfen auch im Zentrum stehen und die Familien können vom Austausch untereinander profitieren. Die Betreuung findet in enger interprofessioneller Zusammenarbeit statt. Sozialpädagogische und psychologische Angebote wie z.B. Musik-, Mal- oder Gesprächstherapie und die Seelsorge können aufgegleist werden. Rituale nehmen eine wichtige Rolle ein. Auch stehen den Kinderhospizen Netzwerke für Beratungen bei Finanzfragen, für die Trauerbegleitung und vieles Weitere zur Verfügung. Neben den Fachpersonen übernehmen freiwillige Mitarbeitende eine wichtige Rolle in der Begleitung der Familien(1).

allani Kinderhospiz Bern
www.allani.ch

  • Übernachtung mit Vollpension für die Familie zu einem minimalen Beitrag pro Nacht. Für das betroffene Kind bzw. den Jugendlichen sind Unterkunft und Verpflegung inbegriffen.
  • Das umgebaute Bauernhaus am Rande der Stadt Bern bietet 4 Pflegezimmer, 4 Familienzimmer, Aufenthaltsräume, Kinderzimmer, Therapieraum und Snoezelenraum, sowie einen Garten.

Flamingo Kinderhospiz Zürich
www.flamingo-kinderhospiz.ch

  • 8 Pflegezimmer, 8 Familienzimmer, Aufenthaltsräume, Therapieräume, Aufgabenzimmer, Spielzimmer, Freizeitraum und Snoezelenraum, Terrassen. Das Haus steht im Naherholungsgebiet nahe am Greifensee im Kanton Zürich.
  • Für die Bezugspersonen und Geschwister wird Unterkunft und Vollpension nach ihren Möglichkeiten in Rechnung gestellt. Auch Selbstverpflegung ist möglich.

Stiftung Mehr Leben Basel
www.mehr-leben-basel.ch

Zentrum für chronisch-kritisch erkrankte Kinder und Jugendliche, befindet sich im Aufbau in Basel.

Heilpädagogische, Sozialmedizinische und Langzeitinstitutionen
Es gibt schweizweit zahlreiche heilpädagogische, sozialmedizinische und Langzeitinstitutionen. Diese übernehmen nebst dem pädagogischen Auftrag auch wichtige pflegerische Leistungen und verfügen oft über ein breites Therapieangebot. Sie sind ein wichtiger Lebens- und Lernort ausserhalb der Familie und damit eine tragende Säule in der Versorgung von beeinträchtigten und komplex erkrankten Kindern. Da einige dieser Institutionen bereits über PPC-Konzepte verfügen, lohnt es sich, nachzufragen, wie die Zusammenarbeit mit den ambulant tätigen Kinderärzt:innen, dem PPC-Team eines Kinderspitals oder dem Kinderspitex-Dienst gestaltet werden kann.


Zwei Podcasts zur ambulanten pädiatrischen Palliative Care für interessierte Hörer:innen:

Ein schöner Artikel zur ambulanten perinatalen Palliative Care:
Solange das Herz schlägt

Abbildung 1.

Referenzen

  1. Presti N, Kempf S, Lüthi S Kinderhospize – Orte für komplexe Ansprüche. Palliative ch, Zeitschrift der schweizerischen Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung. Nr. 1-2023
  2. Darstellung Interface basierend auf Hochrechnungen des Pädiatrischen Palliative-Care-Bedarfs für das Jahr 2022 in Anlehnung an Ecoplan 2022 aus: Vertiefte Abklärungen zum Pädiatrischen Palliative Care Bedarf in der Schweiz (2.11.2023)
  3. Bergstraesser E, Zimmermann K, Eskola K, Luck P, Ramelet AS, Cignacco E Paediatric end-of-life care needs in Switzerland: current practices, and perspectives from parents and professionals. A study protocol J Adv Nurs. 2015 Aug;71(8):1940
  4. Obsan Gesundheit in der der Schweiz – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Nationaler Gesundheitsbericht 2020. Hogrefe. http//www.gesundheitsbericht.ch/de
  5. Zernikow B, Michel E, Garske in B. Zernikow (Hrsg.), (2013) Strukturelle und organisatorische Grundlagen. Palliativversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (2. Aufl., S. 12 – 14). Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.
  6. Together for Short Lives (15.05.2024) https://www.togetherforshortlives.org.uk
  7. Lindley LC, Keim-Malpass J, Svynarenko R, Cozad MJ, Mack JW, Hinds PS. Pediatric concurrent hospice care: A scoping review and directions for future nursing research. J Hosp Palliat Nurs. 2020;22(3):238-245. doi:10.1097/NJH.0000000000000648.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Mercedes Ogal, Integrative Medizin Innerschweiz AG, Brunnen
Simone Keller, Pädiatrische Palliative Care und Intensivpflege Medizinbereich Kinder und Jugendliche, Inselspital Bern
Regula Buder, Pflegeexpertin, MAS Palliative Care und Spiritual Care, stellvertretende Geschäftsleitung Kinderspitex Nordwestschweiz
Vreni Truttmann, Pflegefachfrau HF, stellvertretende Geschäftsleiterin Kinderspitex Zentralschweiz
Martin Höss, Pflegefachmann HF, Pflegedienstleitung, stellvertretende Geschäftsleitung Kinderspitex Ostschweiz
Elisabeth Brenninkmeijer, Pflegefachfrau HF, CAS Palliative Care, Geschäftsleitung Kinderhospiz Flamingo AG, Stiftung Kinderhospiz Schweiz Zürich
MScN Cathrine Liechti, Teamleiterin Pflege und Betreuung, Stiftung allani Kinderhospiz Bern
Andrea Bucher, Pflegeexpertin, MAS Palliative Care, Pädiatrische Palliative Care Kinderspitex Kanton Zürich